Margaret Thatcher: Mutter Courage und ihre Kinder

(c) AP (Cathal McNaughton)
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Als britische Premierministerin veränderte Margaret Thatcher Großbritannien. Auf ihre Sprösslinge hat sie dabei aber vergessen.

Kinder sind schon liebevoller in der Welt willkommen geheißen worden. Obwohl seine Frau in den Wehen lag, besuchte Denis Thatcher, Mann der aufstrebenden konservativen Politikerin Margaret Thatcher, am 15. August 1953 ein Cricket-Match. Als er sich danach doch zu einem Besuch im Krankenhaus aufraffte und seine Zwillinge Carol und Mark zum ersten Mal sah, stieß er aus: „Um Gottes Willen, die schauen ja wie Kaninchen aus. Stopf sie wieder hinein.“ Man kann sich vorstellen, dass er sich danach mehr als einen doppelten Gin – lebenslang sein Lieblingsdrink – genehmigte.

Ironischerweise wurde ausgerechnet Vater Denis in den folgenden Jahren zum Anker der Kinder. „Wenn es ein Problem gab, sagte Vater immer: Entspanne dich und schenkte sich einen Gin ein“, berichtet Tochter Carol in ihrer nun erschienen Biografie. Alles im Leben der Thatchers war dem brennenden politischen Ehrgeiz der Mutter untergeordnet. Mit nur 25 Jahren hatte sie sich 1950 als erste konservative Kandidatin um einen Parlamentssitz beworben, acht Jahre später da waren ihre Kinder gerade fünf zog sie ins Unterhaus ein, um schließlich erste Premierministerin Großbritanniens zu werden und das Land radikal zu verändern.

Den Namen „Eiserne Lady“ trug Thatcher, die von 1979 bis 1990 Premierministerin war, stets als Ehrentitel, selbst ihre Gegner preisen (heute) ihren Mut und ihre Entschlossenheit. Die Kinder waren da nur im Weg. Mit acht Jahren wurden sie ins Internat geschickt, wo Mark sich als ziemlicher Versager erwies. Dreimal scheiterte er an der Prüfung zum Buchhalter, danach versuchte er sich als dubioser Geschäftsmann, der Mutters Namen für seinen eigenen Vorteil verwendete. Mit Waffendeals soll er Millionen verdient haben. 2005 musste er wegen Verstrickung in einen Putschversuch in Äquatorial-Guinea seine Wahlheimat Südafrika verlassen, seither lebt er in einer Luxuskolonie in Spanien hinter meterhohen Sicherheitsmauern. Die Kaution für seine Freilassung aus südafrikanischer U-Haft soll Mama bezahlt haben.


Carol hingegen war stets der vielversprechendere Sprössling. „Niemals emotionell nahe“ zu ihrer Mutter, wie sie schreibt, schaffte sie es, ein Jusstudium zu absolvieren und Journalistin zu werden. Jahrelang lebte sie in Australien, wo der Name Thatcher weniger belastet war als in der Heimat.

Doch auch sie konnte dem Fluch der berühmten Mutter nicht entkommen: Wenn Mark in letzter Not immer auf Mamas Hilfe zurückgreift, so lebt Carol heute vor allem davon, Tochter von Margaret Thatcher zu sein: Als sie 2005 in dem Urwaldspektakel „I'm a Celebrity Get Me Out Of Here!“ öffentlich pinkelte, Känguruhhoden kaute und Käfer verspeiste, machte sie vor allem wegen ihres Namens Schlagzeilen. Auch ihre TV-Dokumentationen (etwa über Vater Denis) oder Publikationen verkaufen sich in erster Linie als Beiträge der Tochter der Eisernen Lady.

Dabei kennt sie wenig Scheu: In ihrem neuen Buch „enthüllt“ sie, dass ihre fast 83-jährige Mutter Margaret, die nach mehreren Schlaganfällen die Öffentlichkeit meidet, seit Jahren an Demenz leidet, die sich seit dem Tod von Vater Denis 2003 fortschreitend verschlechtere.

An Vergesslichkeit scheint aber auch die heute 55-jährige Carol zu leiden: Schon vor ein paar Jahren, 2005 nämlich, sagte sie in einem Interview: „Mutter verliert ihr Gedächtnis. Wenn sie einen Satz sagt, hat sie den Anfang schon vergessen, bevor sie zum Ende gekommen ist.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2008)

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