Tenno Akihito: Wenn der Kaiser Kummer hat

Tenno Akihito
Tenno Akihito(c) EPA (FRANCK ROBICHON)
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Japans Tenno Akihito zeigt sich dieser Tage zwei Mal der Öffentlichkeit. An seinem Geburtstag und zu Neujahr. Glücklich ist der Kaiser derzeit aber nicht. Über seinen Kummer schweigt er.

Kränklich sieht er aus in jüngster Zeit, wachsbleich im Gesicht, schmal und gebückt die Haltung. Nur das höfliche Lächeln ist geblieben. Gesicht bewahren ist die oberste Lebensregel in Japan und das gilt besonders für seinen Tenno. Und so zeigte er sich auch vergangene Woche sechs Mal zu festgesetzter Uhrzeit hinter der Panzerglasscheibe seines Palastbalkons, geduldig und scheu nahm er die frenetische Huldigung hunderttausender Untertanen entgegen, die ihm zum 75. Geburtstag alles Gute und vor allem Gesundheit wünschten.

Aber jedermann im fernöstlichen Reich weiß und kann es immer öfter in der Zeitung lesen: Der Kaiser hat Kummer. Welchen, sagt er nicht selbst. Aber seine Hofschranzen sprechen es offen aus: „Bitte glauben Sie nicht, dass er sich einfach nur schlecht fühlt, weil er zu viele offizielle Pflichten zu erfüllen hat oder sein Terminkalender zu voll ist“, ließ Hofmarschall Shingo Haketa die Öffentlichkeit wissen. „Seine Majestät grämt sich um die Zukunft des Thrones, des imperialen Systems, der Kaiserfamilie und vieles andere.“

Warum sollte sich der 1989 als 125. japanischer Tenno gekrönte Akihito um die Chrysanthemen-Folge Sorgen machen? Mit Kronprinz Naruhito wartet ein gesunder Thronfolger, und nach der Geburt des kleinen Prinzen Hisahito vor zwei Jahren wäre der Bestand der mit angeblich fast 2700 Jahren fortwährenden Blutlinie ältesten Dynastie der Welt eigentlich auch darüber hinaus gesichert. Zwar gibt es hin und wieder wegen der japanischen Kriegsvergangenheit Proteste linksgerichteter Lehrer gegen das pflichtgemäße Hissen der Sonnenbannerflagge und die kaiserliche Staatshymne Kimi ga Yo. Aber mehr als zwei Drittel der Söhne und Töchter Nippons stellen den Tenno als verfassungsmäßiges „Symbol des Staates und der Einheit des Volkes“ nicht in Frage.

Der offenkundige Stress des studierten Fischforschers beruht sehr wahrscheinlich auf dem, was der Hofmarschall „Kaiserfamilie und vieles andere“ nennt. Es gibt immer mehr Spekulationen über Zoff im Palast, und manche sprechen sogar düster von „Tragödie“. Gemeint ist eine tiefe Kluft zwischen Kaiser und Kronprinz und zuweilen auch öffentlicher Streit zwischen den Prinzenbrüdern. Und immer steckt eine Frau dahinter, die eigentlich als hoch gebildete Bürgerliche in die Familie geholt wurde, um der Dynastie frisches Blut zuzuführen.


Herausgekommen ist „böses Blut“. Man hatte der Harvard-Absolventin und jungen Diplomatin Masako vermutlich nicht hinreichend mitgeteilt, dass ihre vornehmste, vielleicht einzige Aufgabe als Kronprinzessin darin besteht, einen Thronfolger zu gebären. Zur Welt gebracht hat sie vor sieben Jahren die Prinzessin Aiko – sehr niedlich, aber als Mädchen laut Verfassung ungeeignet für kaiserliche Würden. Es folgte eine Fehlgeburt, nun ist Masako 45 Jahre alt und niemand bei Hofe glaubt mehr an ein biologisches Wunder. Aus Ärger oder weil der Druck der kaiserlichen Familie zu unerträglich wurde, hat sich die Kronprinzessin quasi selbst „mental gestört“ gemeldet und in den höfischen Ruhestand versetzt. Seit Dezember 2003 taucht sie nur noch gelegentlich auf, schweigt und leidet.

Das Kronprinzenpaar brach den Kontakt mit dem kaiserlichen Elternhaus bis auf unvermeidliche Besuche quasi ab. Der Hof beschwert sich regelmäßig, dass der Kaiser seine Enkelin „so selten sieht“. Gemeint ist das wohl als Kritik an Kronprinz Naruhito, dem der Hof auch schon angeraten haben soll, von seinem Thronanspruch abzudanken und gemeinsam mit Masako und Aiko ein bürgerliches Leben zu beginnen.

Und Tenno Akihito übernimmt auffällig viele Pflichten, die er früher seinem Kronprinzen überlassen hat. Mit Sorge bemerkt haben das die Leibärzte, die erst dieser Tage Blut im Magen und Darm sowie akute Herzfrequenzstörungen feststellten. Auch von Knochenschwund sprechen die Bulletins. Vor fünf oder sechs Jahren, sagt das Palasthospital, sei der Kaiser noch so gesund gewesen wie ein Kind. Allerdings musste sich der Tenno 2003 wegen Krebsverdachtes einer Prostata-Operation unterziehen. Seither soll er eigentlich beruflich etwas kürzer treten. In kurzer Folge hat er in den vergangenen Wochen mehrere Staatsakte aus „Gründen einer angegriffenen Gesundheit“ absagen lassen, darunter auch die traditionelle Pressekonferenz am Vorabend seines Geburtstages.

Nicht viel mehr als ein Dutzend Mal pro Jahr ist er Thema der Hauptnachrichten im Fernsehen. Was kaum einer weiß, Akhihito muss mehr als 100 Kabinettsbeschlüsse pro Jahr lesen und abzeichnen. Dem Volk zeigt er sich eigentlich nur zwei Mal – allerdings in kurzer Folge: zu seinem Geburtstag und wenig später zu Neujahr. So wird er in ein paar Tagen wieder auf dem Balkon stehen, winken und ein paar Worte über den Weltfrieden sprechen. Über seinen Kummer aber schweigt der Kaiser.

ZUR PERSON

Japans Tenno Akhihitowurde am 23.Dezember 75 Jahre alt. Der 125. Kaiser Nippons zeigt sich selten der Öffentlichkeit, gegen Jahresende aber gleich zwei Mal hintereinander. An seinem Geburtstag und zu Neujahr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2008)

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