Olga Bezsmertna: Figaros Gräfin auf dem Opernball

Olga Bezsmertna
Olga Bezsmertna(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ihre Karriere begann in einem ukrainischen Chor, der den Kinderhort ersetzte. Jetzt sind Olga Bezsmertna bei der Eröffnung des Opernballs.

Dieses Mal weiß sie immerhin schon etwas länger, was auf sie zukommt. Inklusive der Gefühlsmischung, die das Wissen mit sich bringt: „Nervosität, Spannung, Freude und Lust“, sagt Olga Bezsmertna über die Wochen vor der heutigen Eröffnung des Opernballs, bei der sie, neben Carlos Alvarez und Aida Garifullina, singt.

Ihren Einstand in der Staatsoper feierte die junge Ukrainerin ja eher ad hoc: Im Februar 2012 war sie ans Haus gekommen, Ende Februar sprang sie als Dame in Hindemiths „Cardillac“ ein. Zwei Wochen hatte sie Zeit, um die Partie – auf Deutsch – zu lernen. Eine noch größere Herausforderung sei später nur die Gräfin in „Le nozze di Figaro“ gewesen: Die hatte sie bis dahin nur auf Russisch gesungen. Eine Woche hatte sie für die Vorbereitung auf die italienische Partie. „Ich habe drei Kilo abgenommen, schlecht geschlafen, wenig gegessen und in der Straßenbahn, in der U-Bahn und im Theater gelernt“, erinnert sie sich, ohne zu klagen. „Das ist normal, das ist dein Beruf – und für junge Sänger eine große Chance.“

Eine Chance ist vermutlich auch die Eröffnung des Opernballs – die Chance, einem großen Publikum im Gedächtnis zu bleiben, und zwar just mit ihrer Rolle als Gräfin im „Figaro“. „Dove sono“ wird sie heute Abend inmitten der dichtgedrängten Gäste auf der Tanzfläche singen, jene Arie, in der Gräfin Almaviva den Verlust der Liebe ihres Mannes beklagt.

Faust auf Ukrainisch

Den Opernball kennt die Mutter einer fünfeinhalbjährigen Tochter schon als Gast: Seit sie Ensemblemitglied wurde, hat sie jeden der Bälle besucht, von denen sie zuvor nur eine vage Vorstellung hatte. Auch wenn es in Kiew einen Ball gebe, und immer wieder kurze Berichte vom Wiener Opernball im Fernsehen. „Und eine Freundin, die in Wien lebt, hat mir davon erzählt.“

Den nötigen Walzer kann Bezsmertna längst. Schon im Kinderchor hatte sie auch Ballettunterricht. „Das ist wichtig für einen Sänger, man muss ja auch auf der Bühne tanzen. Da kann man nicht sagen, ich kann das nicht.“ Dasselbe gilt für die Sprachen. Dass sie Gounods „Faust“ im Studium auf Ukrainisch singen musste – „daran merkt man das alte totalitäre System. Heute noch, leider“. In den zweieinhalb Jahren, die sie selbst unterrichtete, versuchte sie die Studenten von der Bedeutung von Sprachen zu überzeugen. „Auch, damit man bei Originalen überhaupt weiß, was man singt!“

Sie selbst schwärmt bis heute von ihren wichtigsten Lehrerinnen. Nach der Schule nach Hause laufen, Kostüme holen, dann zum Konzert, spät abends heim, am nächsten Tag das nächste Konzert: So sehen bei ihr Kindheitserinnerungen aus. Trotzdem habe sie nie davon geträumt, Sängerin zu werden. Regisseurin ja, aber nicht Sängerin. Heute ist sie froh, dass sie ihre Lehrerin damals wortwörtlich an der Hand genommen habe, um zum Vorsingen zu gehen. „Ich selbst war nicht so stark.“

Zumal sie auch aus keiner besonders musikalischen Familie stamme. „Es waren schlechte Zeiten, die Eltern haben die ganze Zeit gearbeitet, die Kinder mussten einfach zu Hause bleiben“, schildert sie die Bedingungen. Als eine Nachbarin einen Kinderchor entdeckte, sah man ihn als willkommene Kinderbetreuungsstätte. Auf Chor folgten Gesangsausbildung und -studium in Kiew. „Eine tolle Zeit“, sagt sie, auch wenn immer Europa das Ziel war. „Kiew hat nur zwei Opern und so viele gute Stimmen, da haben junge Sänger keine Chance.“ Sie besuchte Meisterklassen und Wettbewerbe, „viele Wettbewerbe“, von denen sie viele auch gewann. Bei jenem der Neuen Stimmen hieß der Juryvorsitzende Dominique Meyer.

So kam sie wieder nach Wien. 2010 und 2011 hatte sie es hier beim Belvedere Musikwettbewerb unter die Finalisten geschafft. Bei einer Sightseeing-Tour kam sie an der Staatsoper vorbei. „Einmal da drinnen die Bühne anschauen“, dachte sie. Hier zu singen kam ihr damals gar nicht in den Sinn.

„Wie bin ich? Was kann ich?“ Solche Fragen beschäftigen sie noch heute. „Ich kenne mich nicht gut. Aber vielleicht kommt das ja mit der Erfahrung. Und die Eröffnung des Opernballs ist wieder ein Schritt.“

AUF EINEN BLICK

Olga Bezsmertna wurde 1983 in der Ukraine geboren und studierte in Kiew. Seit Februar 2012 gehört die Sopranistin zum Ensemble der Wiener Staatsoper. Ihr Mann studiert in Kiew Theologie, die beiden haben eine fünfjährige Tochter. Bei der Eröffnung des Opernballs heute, Donnerstagabend, singt sie neben Carlos Àlvarez und Aida Garifullina.

Übertragung: Der ORF zeigt ab 20.15 Uhr die Dokumentation „Abenteuer Opernball“ und berichtet ab 21.10 Uhr vom Roten Teppich, um 21.45 Uhr folgt „Opernball 2015 – Die Eröffnung“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2015)

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