Ein Cellist schreibt über Wien

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der deutsche Musiker Rupert Schöttle hat einen musikalischen Stadtführer geschrieben. Und dabei allerlei Unbekanntes entdeckt.

Er ist eindeutig aus der Kategorie alte Schule, einer, der den Damen im Café in den Mantel hilft. Genau deswegen, sagt Rupert Schöttle, komme ihm Wien so entgegen: „Es ist alles noch ein bisschen altmodisch hier, und die Herren haben noch gute Manieren, und sei es nur auf den Bällen.“

Der deutsche Cellist Schöttle kennt Wien seit mehr als 30 Jahren und gleich, als er als junger Mann zum Studium hergekommen ist, „hat mich die Stadt gehabt und ich wollte nie mehr weggehen“. So ist er – abgesehen von beruflichen Engagements im Ausland – geblieben, war 30 Jahre lang als Substitut bei den Philharmonikern tätig und hat Wien in Buchform mehrfach verewigt, als Schauplatz seiner Krimis etwa.

Nun hat Schöttle einen musikalischen Reiseführer durch die Stadt geschrieben, in dem er 33 Orte von naheliegenden Institutionen wie der Staats- und Volksoper über Jazzlokale bis zu Clubs wie die Albertina Passage vorstellt. Das Buch ist in erster Linie für musikinteressierte Touristen gedacht, könnte aber für den einen oder anderen Wiener in puncto Musik- und Stadtgeschichte interessant sein. Viele Anekdoten, die Schöttle zusammengetragen hat, hat sogar er als erfahrener Musiker mit engem Wien-Konnex nicht gekannt. „Jeder dieser Orte hatte eine Überraschung für mich parat“, erzählt Schöttle bei einem Häferlkaffee im Café Schwarzenberg.

Etwa das Geheimnis hinter der herausragenden Akustik im weltbekannten Musikverein. Obwohl er dort schon vielfach gespielt hat, „wusste ich nicht, dass der Boden des berühmten Saales nicht fix verankert ist, sondern auf einem Holzgestell ruht und mitschwingen kann. Auch die Decke schwingt.“ Der Musikvereinssaal ist für Schöttle überhaupt „der vielleicht beste Saal der ganzen Welt, auf jeden Fall einer der schönsten“.

Auch einem unbekannteren Saal, den sogar viele Musiker nicht kennen, hat Schöttle in seinem Buch ein Kapitel gewidmet: dem Ehrbarsaal in der Mühlgasse auf der Wieden. „Ein vergessenes Schatzkästchen mit toller Akustik“, sagt Schöttle. Benannt nach dem k. u. k. Hof- und Kammer-Klavier-Fabrikanten Friedrich Ehrbar (1827 bis 1905), traten in dem Saal dereinst große Namen auf: von Béla Bártok über Anton Bruckner bis Arnold Schönberg. Während der beiden Weltkriege wurde der Saal als Lazarett genutzt, erst seit 2005 ist er wieder Aufführungsort für Lieder- und Klavierabende.

Schwer vorstellbar ist es heute auch, dass das Konzerthaus in den 1960ern beinahe abgerissen worden wäre, um Platz für Parkplätze zu schaffen. Proteste von Künstlern verhinderten diesen Plan jedoch. Wie auch die Wiener eine historische Kapelle gerettet haben, in der der Großteil selbst wohl noch gar nicht war: die Hofburgkapelle, in der Schöttle als Cellist mit den Philharmonikern immer wieder aufgetreten ist. Sonntagmorgen wird hier die heilige Messe gefeiert: Mit den Sängerknaben, den Philharmonikern und dem Herrenchor der Staatsoper sind gleich drei bekannte Wiener Institutionen beteiligt.

Auch abseits der musikalischen Orte schätzt Schöttle Wien, unter anderem, weil die Abwandlung eines bekannten deutschen Spruchs so vortrefflich auf die Stadt zutreffe: „Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst – das ist genau das, was ich an Wien schätze. Und den Charme, der natürlich eine gewisse Verlogenheit beinhaltet.“

Götter im Frack

Sein erstes Buch hat Schöttle vor Jahren übrigens über die soziale Stellung von Dirigenten geschrieben. Ihn habe etwa Herbert von Karajans Macht fasziniert. „Das war ein kleiner kranker alter Mann, aber wenn der vor das Orchester getreten ist, saßen alle Musiker da wie das Kaninchen vor der Schlange.“ „Götter im Frack“ beschreibt neben Karajan auch andere bekannte Dirigenten. Wie damals die Reaktionen waren? „Oh, ich habe nur über Tote geschrieben“, sagt Schöttle. „Mit den Lebenden musste ich ja spielen.“

ZUR PERSON

Rupert Schöttle, gebürtiger Mannheimer, kam zum Musikstudium nach Wien. Schöttle war 30 Jahre lang als Cellist bei den Wiener Philharmonikern tätig, nebenbei studierte er auch Musiksoziologie. Basierend auf seiner Diplomarbeit über die soziale Stellung von Dirigenten erschien im Jahr 2000 sein erstes Buch „Götter im Frack“ (Czernin Verlag), es folgte die Anekdotensammlung „Spötter im Frack“ sowie der kriminalistische Opernführer „Täter im Frack“. Im Gmeiner-Verlag sind weitere Krimis von Schöttle (u. a. „Hausmaestro“) erschienen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2016)

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