Beatrix Neundlinger: „Die eigene Stimme finden“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Einst war Beatrix Neundlinger Teil der Politrockgruppe die Schmetterlinge, nun startet sie ihre vierte Band. Über „Proletenpassion“, Arena und Neuanfang.

Es war beim Winterfest in Salzburg, dass sie es zum ersten Mal miteinander probiert hatten. Dann die Frage: War's das jetzt? Ein Abendessen in Beatrix Neundlingers Maisonette besiegelte den Wunsch, gemeinsam weiterzumachen: Bandgründung, die vierte.

Zelinzki heißt das Projekt, das Neundlinger mit vier Salzburgern aufgezogen hat, und es beweist, dass Bands zu gründen keine Frage des Alters ist. Auch nicht, Protestsongs zu schreiben. Wobei, auch wenn im Pressetext davon zu lesen ist, würde Neundlinger die Lieder nicht so nennen. „Es geht darum, sich kritisch damit auseinanderzusetzen, was gerade passiert, und wie es den Leuten geht.“ Und es seien auch Liebeslieder dabei, „auch wenn es sich in der Liebe nicht immer ausgeht“. Hinterlegt werden die Songs bei Zelinzki mit Videos, auch die Texte haben großen Stellenwert: Bert Brecht und Kurt Tucholsky, Erich Kästner, Else Lasker–Schüler oder Christine Nöstlinger kommen vor – „Zeitgenossen von Robert Zelinzki jr., auf dessen wiederentdeckten Tagebüchern das Projekt beruht“. Wer dieser Zelinzki ist, diese Frage beantwortet Google freilich nicht.

Ihre Partner seien jedenfalls allesamt „wunderbare Musiker“, sagt Neundlinger, „da muss ich viel üben“. Sie selbst singt, spielt Querflöte und Saxophon. Für Letzteres nimmt die Endsechzigerin nach 30 Jahren neuerdings Unterricht. „Ich finde, es klingt immer noch nach Tröte.“ Einige der Texte hat Heinz Unger beigesteuert, eine Art Konstante in ihrem Leben. 1968 war Neundlinger, die eigentlich ein Technikstudium begonnen hatte, Gründungsmitglied der Milestones, mit denen sie 1972 beim Song Contest Fünfte wurde. „Falter im Wind“ hatte Unger mitgeschrieben. 1975 löste sich die Band auf; Christian Kolonovits verlegte sich aufs Komponieren, Neundlinger und Günther Grosslercher schlossen sich den Schmetterlingen an: Band Nummer zwei.

Die Politrockgruppe spielte ebenso beim Song Contest (mit der von Lukas Resetarits geschriebenen Plattenindustrie-Kritik „Boom Boom Boomerang“) wie auf den Wiener Festwochen. Die dort aufgeführte, von Unger geschriebene und u. a. von Willi Resetarits vertonte „Proletenpassion“ hätte heuer ihr 40-Jahr-Jubiläum. Die Neuauflage im Vorjahr im Werk X, „Proletenpassion 2015 ff.“, besuchte Neundlinger „mit Bauchflattern. Aber ich war total begeistert, es ist gelungen, sie mit neuen Inhalten zu füllen.“ Ebenfalls 40 Jahre ist die Besetzung der Arena her, an der sie beteiligt war. Neundlinger erinnert sich heute amüsiert an stundenlange Basisdemokratie, aber auch internationale Unterstützung: Der eben verstorbene Leonard Cohen gab ein Konzert. Eigentlich spricht Neundlinger aber ungern über Vergangenes. „Es ist verführerisch, immer zu vergleichen, aber dann wird es noch schwieriger, im Heute etwas zu verändern. Der innere Widerstand ist auch so groß genug.“

Coach und Chefin

„Wir lernen im Vorwärtsgehen“, wie es in der „Proletenpassion“ heißt – das würde Neundlinger heute nicht mehr so formulieren. „Wir lernen aus unseren Fehlern und daraus, dass es oft einen Schritt vorwärts geht und zwei zurück.“ Ein „Nullpunkt“ sei die Auflösung ihrer Kleinfamilie mit Willi Resetarits nach 25 Jahren Lebensgemeinschaft gewesen. Und auch für ihr Schmetterlinge-Kindertheater sei es irgendwann an der Zeit gewesen, Schluss zu machen. Neundlinger begann neu, als Coach und Supervisorin. Mit ihrem Isländer bietet sie pferdegestützte Seminare: „Die Kunst des Führens“. Lange sei sie vor allem gute Teamspielerin gewesen, glaubt sie. In anderen Seminaren, etwa im alten Proberaum der Schmetterlinge, geht es darum, „die eigene Stimme zu finden“. Und in Band Nummer drei, 9dlinger und die geringfügig Beschäftigten, ist seit zwölf Jahren sie „die Chefin. Wenn ich nichts auf die Beine stelle, passiert da nichts.“

ZUR PERSON

Beatrix Neundlinger wurde 1947 geboren. Sie war Mitglied der Milestones und ab 1976 der Schmetterlinge. 2004 gründete sie 9dlinger und die geringfügig Beschäftigten. Mit ihrer neuen Band, Zelinzki, untersucht sie mit Stefan Schubert, Alex Meik, Robert Kainar und Friedrich Pürstinger „die aktuellen Befindlichkeiten der Österreicher“. „Zwischen Wut und Übermut“ ist ein multimediales Musikprogramm: Am 26. 11. im Theater Akzent in Wien und am 30. 11. in der Arge Kultur in Salzburg. Das zugehörige Album wurde via Crowdfunding finanziert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2016)

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