Günther Haller: Ein großer Geschichte-Erzähler

Stimmungsvoller Rahmen für eine Buchpräsentation.
Stimmungsvoller Rahmen für eine Buchpräsentation.(c) Stanislav Jenis
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Eine Woche war Karl Marx 1848 in Wien. Günther Haller machte – nicht nur – daraus ein Buch, das nun in der Wien-Bibliothek präsentiert wurde.

Wien. Günther Haller ist nicht nur ein großer Geschichte-Erzähler, er hat auch (bisher unbekannte) Entertainer-Qualitäten. Diese bewies er am Mittwochabend, als er mit feiner Ironie durch seine eigene Buchpräsentation in der Wien-Bibliothek des Rathauses führte. Das Buch des „Presse“-Historikers und Archiv-Leiters, „Marx und Wien“, ist schon vor einigen Monaten erschienen, nun wurde es aber auch offiziell im entsprechenden Rahmen präsentiert.

Karl Marx hat zwar nur eine Woche in Wien verbracht, während der Revolution des Jahres 1848, Haller spannt aber einen Bogen vom Vormärz bis zu Bruno Kreisky. Er schildert nicht nur, was Marx bei seinen Auftritten in Wien gesagt und getan hat, sondern vor allem auch, welchen Einfluss dessen Thesen auf die österreichische Arbeiterbewegung hatten.

„Ein Herzstück“ des Buches, so der Autor bei der Präsentation, sei das Verhältnis des Ahnherren der kommunistischen Bewegung zur Tageszeitung „Die Presse“, für die er als London-Korrespondent schrieb. Es war allerdings eine mehr als schwierige Beziehung zwischen dem liberalen Blatt und dem linken Denker. Und das hatte gar nicht so sehr ideologische Gründe, sondern vielmehr stilistische: „Presse“-Chefredakteur Max Friedländer erwartete sich von Marx brillante, literarische Feuilletons, dieser hingegen lieferte trockene politische und ökonomische Analysen. Und so kam es, dass viele Texte von Marx gar nicht erschienen, sondern im Papierkübel landeten. Marx schimpfte in London daher auch kräftig über die „Lausekerls“ von der „Presse“.

Bei der Präsentation assistiert wurde Haller von einem weiteren Marx-Kenner, dem Spiritus rector des Rote-Wien-Museums im „Waschsalon“ des Karl-Marx-Hofs: Werner Bauer. Wie Haller selbst auf Marx kam? Vor 20 Jahren habe ihm der damalige „Presse“-Chefredakteur Andreas Unterberger zum 150- Jahre-Jubiläum der „Presse“ aufgetragen, dazu etwas zu machen – ein Buch, eine Ausstellung. Da habe er sich dann auch mit dem „Presse“-Autor Marx zu beschäftigen begonnen. Und nun, zum 200. Geburtstag von Karl Marx, habe Molden-Verlagschef Matthias Opis zu ihm gemeint, er solle doch dazu etwas machen, sein Wissen in ein Buch gießen. Und so ackerte Haller alle Neuerscheinungen zum Marx-Jubiläum durch – um dann genau das zu schreiben, was in all diesen zum Teil sehr dicken Wälzern nicht stand: Über Marx und sein Verhältnis zu Österreich.

Den Kaiserstaat im Visier

Marx hatte den Kaiserstaat stets im Visier. Wann würde hier endlich alles zusammenbrechen und die große Revolution kommen? Schon im Vormärz gab er diesem Staat nur mehr wenige Jahre bis zum „Abkratzen“. Doch die Ferndiagnose stimmte hinten und vorn nicht. Das erstarrte Kaiserreich, damals das „China Europas“ genannt, sollte doch noch eine Weile, bis 1918, leben. Der Untergangsprophet segnete 1883 das Zeitliche.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2018)

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