Mode: Eine Bibliothek für Kleider

Karin Kuranda („Endlos Fesch“), Designerin Maria Korelskaya und Stilberaterin Sabrina Prantl (v. l.) zwischen den Ausleihkleidern.
Karin Kuranda („Endlos Fesch“), Designerin Maria Korelskaya und Stilberaterin Sabrina Prantl (v. l.) zwischen den Ausleihkleidern. (c) Akos Burg
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Mit der Fashion Library kann man neue Kleidungsstücke in seinen Kasten holen. Und zwar, ohne dass am Ende etwas ungetragen liegen bleibt.

Der Blick in den eigenen Kleiderschrank war es, der Karin Kuranda (39) vor ein paar Jahren so richtig zum Nachdenken gebracht hat. Da lagen drei fast identische dunkelblaue Pullover, die sie selten oder überhaupt noch nie getragen hatte. „Der Kasten ist voll – aber man kauft immer neue Dinge, die man nie anzieht“, fasst Kuranda das Dilemma zusammen, das dazu führte, dass sie vor einem Jahr „Endlos Fesch“ gründete – eine Art Bibliothek für Kleider.

In der Zero-Waste-Initiative hatte sie sich mit Ko-Gründerin Jessica Neumann (31) zuvor mit Mode und Müllvermeidung auseinandergesetzt. „Wir haben dann Kleidertauschpartys veranstaltet, aber sehr bald gesehen, dass man damit gar nicht weiterkommt“, sagt Kuranda. „Die guten Stücke behält man eh – die Billigware bleibt übrig.“ Bei einer solchen Tauschveranstaltung mit 20 Frauen seien einst ganze 18 Müllsäcke voller Kleidung übrig geblieben. „Der Punkt ist: Das ändert das Konsumverhalten nicht.“

Ihre Idee soll genau das bewirken. Bei der „Vienna Fashion Library“ kann man sich Kleidungsstücke für je vier Wochen ausborgen – für einen besonderen Anlass, eine Hochzeit, einen Geburtstag, für die wöchentliche Datenight mit dem Partner, für ein besonderes Event im Job, oder auch, um seinen Kasten temporär mit etwas Neuem zu ergänzen: um etwa einmal eine ausgefallenere Bluse oder ein anderes Sakko ins Büro anzuziehen. Freilich ohne es dann, wenn man es nicht so gut kombinieren konnte wie erwartet, kaum getragen im Kasten zu haben.

Ausleihen kann man sich die Stücke bei monatlichen Pop-ups (das nächste findet am Donnerstag statt, siehe Factbox). Via Homepage soll man in Zukunft Stücke schon vorreservieren können. Insgesamt umfasst die Modebibliothek rund 450 Kleidungsstücke – vom Vintageteil übers Ballkleid, heimische Designerstücke und Dirndlkleider bis zum Wintermantel.

Start mit Vintagekleidern

Kleiderbibliotheken gibt es in Skandinavien, Deutschland oder den Niederlanden schon länger. „Rent a Runway“ in den USA verleiht ebenfalls Kleider. Diese werden verschickt und wieder abgeholt, das Sortiment an Designerstücken wird häufig ausgetauscht. „Das ist ein Milliardenbetrieb“, sagt Kuranda. „Wir wollten eine nachhaltige Version davon machen.“ Mit einer Förderung der Stadt Wien haben die Gründerinnen denn die „Fashion Library“ als Sozialunternehmen auf die Beine gestellt.

Die ersten Stücke der Wiener Modebibliothek waren Vintagekleider, die Kuranda, studierte Historikerin und Anglistin, in ihren fünf Jahren in London zusammengetragen hatte. Andere Teile – etwa ein Kleid von Escada – hat sie nach Shootings vergünstigt angekauft. Und sie arbeitet auch mit lokalen Designerinnen zusammen, etwa mit Maria Korelskaya, die unter dem Label Tutu Vienna Tuturöcke schneidert, von denen die Fashion Library einige angekauft hat.

Was auf den ersten Blick widersprüchlich scheint, wird logisch, wenn man das höhere Ziel der Bibliothek betrachtet: „Wir wollen den alltäglichen Zugang zu Mode ändern.“ In der Zusammenarbeit mit den Designerinnen bedeutet das: Wenn jemand vier Wochen lang mit einem ausgeborgten Kleidungsstück zufrieden ist, ist er vielleicht auch eher bereit, für Qualität und lokale Produktion den entsprechend höheren Preis zu bezahlen.

„Die Leute probieren solche Teile gern aus – und manche kaufen sich dann eines“, sagt Sabrina Prantl (21), die bei den Pop-ups als Stilberaterin dabei ist. Falls es doch nicht gefallen hat oder man schon wieder Lust auf etwas anderes hat, liegt es zumindest nicht ungetragen im Schrank. Sondern steht bereit für die Nächste.

AUF EINEN BLICK

Endlos Fesch – The Vienna Fashion Library verleiht bei monatlichen Pop-ups für je vier Wochen Kleidungsstücke. Ein Stück gibt es ab 19 Euro, zwei ab 29 Euro, drei ab 39 Euro, derzeit gibt es rund 450 Teile zur Auswahl. Gereinigt werden die Kleidungsstücke nach der Rückgabe. Das nächste Pop-up findet am Donnerstag, 19. 7., von 18 bis 21 Uhr im Ladenkonzept, Kolingasse, 1090 Wien, statt. Alle Infos online unter: endlosfesch.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2018)

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