Veronika Steinböck: Feminismus, Sternenstaub und Matriarchat

Veronika Steinböck.
Veronika Steinböck.(c) die Presse (Carolina Frank)
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Als Ort der Begegnung mit aktuellen Themen will die neue Leiterin Veronika Steinböck das Kosmostheater etablieren. Auch ihre eigen Biografie ist bunt.

Am liebsten fährt sie mit ihrem alten Mercedes-Bus herum: „Da kann ich überall stehen bleiben, wo es mir gefällt", erzählt Veronika Steinböck, die neue Leiterin des Wiener Kosmostheaters. Einmal allerdings bekam sie es mit der Angst zu tun, als nachts in Kreta vor einer Ausgrabungsstätte Männer in Tarnuniformen auftauchten. Aufatmen, es waren Polizisten, Anrainer hatten sie gerufen, weil sie das Licht gesehen hatten und dachten, Plünderer seien unterwegs.

Derzeit kommt Steinböck allerdings nicht viel raus. Die Schauspielerin, die mit Größen der Branche wie Sophie Rois oder Maria Schrader am Reinhardt-Seminar studiert hat, tritt die Nachfolge der Langzeitintendantin Barbara Klein in der Siebensterngasse an. Und auch das Motto für die erste Spielzeit hat mit Sternen zu tun: „Empirisch gesehen sind wir aus Sternenstaub gemacht", heißt es da. Wird das Kosmos jetzt zur esoterischen Sternwarte? „Ich bin gar nicht esoterisch veranlagt", betont Steinböck: „Der Spruch ist aus einem Buch, das mich sehr bewegt hat: „Die Argonauten" von Maggie Nelson.

Es geht um Liebe, um die Frage, zu welchem Geschlecht wir gehören und ob das überhaupt fix ist. Dieses Werk hat mein Bild von sexueller Identität völlig ins Rumpeln gebracht. Ich musste mir erst draufpacken, wie viele Formen es da gibt." Steinböck selber war über 20 Jahre verheiratet. „,Leider lebe ich jetzt getrennt", ihre Kinder sind 22 und 25  Jahre alt. Ihre Karriere hat sie für ihren Mann hintangestellt: „Ich habe noch gekämpft, soll ich zu Hause bleiben oder nicht? In der heutigen Generation ist das Vereinbaren von Beruf und Mutterschaft schon für viele selbstverständlich. Allerdings, ich war eine wahnsinnig glückliche Mutter. Wie Woyzeck sagt, es ist die Natur über mich gekommen. Ich wurde nicht angeleitet, dieses Thema mit Vorsicht und Abstand zu betrachten. Ich bin in der Mutterschaft aufgegangen und habe erst im Nachhinein erkannt, dass ich mich immer mehr in Abhängigkeit begeben habe." Da sie in Deutschland gelebt hat, war es auch steuerlich günstiger, weniger zu verdienen. Zuletzt spielte sie in Dresden: „Lampedusa" von Henning Mankell: „Es geht um ein Fernsehinterview, eine Journalistin befragt eine Frau mit Migrationshintergrund." Die beiden geraten heftig aneinander. Von Wilfried Schulz, dem früheren Intendanten des Staatsschauspiels Dresden, der jetzt das Düsseldorfer Schauspielhaus leitet, hat sich Steinböck einiges abgeschaut. Appetizer sind wichtig, um Publikum anzulocken: „Wir machen ein Eröffnungsfest am 19. und 20. Oktober, eine Mischung aus Show, Musik, Szenen. Damit wollen wir auf unterhaltende Weise unser Programm transparent machen."

Steinböcks Vorgängerin Barbara Klein war eine kämpferische Frau, ohne sie gäbe es das Kosmos-Theater, das heute recht schmuck und weitläufig wirkt, vermutlich gar nicht mehr. „Klein hat sich an den Bürotisch vom früheren Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny anketten lassen", erinnert Steinböck: „Da kann man darüber lachen oder sagen: ,Oh, schrecklich!‘ Jedenfalls hat Klein das Kosmostheater gesichert." Dieses bekommt immerhin rund 700.000 Euro Subvention. Kritiker meinen, das Kosmos sei im Vergleich zu Brut oder Drachengasse nicht sonderlich fortschrittlich. „Ich verstehe mich sehr gut mit den Frauen von der Drachengasse. Das ist keine Konkurrenz, sondern eine Bereicherung," sagt Steinböck. Manche wollten ihr unbedingt Klassiker mit starken Frauen zur Eröffnung empfehlen, aber Steinböck entschied sich für das allzeit virulente Thema „Mütter". Ab 31. Oktober läuft diese Eigenproduktion, eine Uraufführung mit dem Untertitel „Eine ekstatisch-matriarchale Kosmologie". Den Text schrieben Paula Thielecke und das Ensemble. Thielecke, 1990 in Berlin geboren, ist Regisseurin, Autorin, Schauspielerin beim „Kollektiv Eins": „Wir träumen nicht, wir fordern eine Welt, in der der Schritt vom Überleben hin zum Leben nicht vom Ort der Geburt, der Hautfarbe, dem Geschlecht oder der Sexualität abhängt", steht auf der Website.

Geschenk. Und das Kosmostheater setzt gleich nach in seiner Information über die „Mütter"-Performance: „Die komplette Weltwirtschaft würde zusammenbrechen, würden alle Frauen für nur einen Tag die unbezahlte Reproduktionsarbeit nieder­legen!" Inszenieren wird Steinböcks Tochter Milena Michalek: „Ich bin sehr stark mit meiner Tochter verbunden, aber auch mit meiner Mutter, die dement ist und leider nicht mehr wahrnimmt, was mir als über 50-Jährige für ein Geschenk zuteil wird mit diesem Theater", erzählt Steinböck. Mit dem Mütterthema eröffnen sich für sie Ausblicke in die Vergangenheit und in die Zukunft: „Ich freu mich wie ein kleines Kind!" Ab 4. 12. wird erneut ein allgemeingültiges Thema umrundet: „Begehren" von Gesine Schmidt. „Wir sind eben nicht nur für Frauen, sondern für alle da, auch für die Männer", verspricht Steinböck.

Tipp

Kosmostheater. Eröffnungsfest mit Safe Space für Männer am 19./20. 10., Stückentwicklung „Mütter" (Paula Thielecke und Ensemble, ab 30. 10., „Begehren" von Gesine Schmidt, ab 4. 12.

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