Ulrike Haidacher: Warum so allein?

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Ulrike Haidacher spielt ihr erstes Solo. Sie ist ein Teil des erfolgreichen Kabarettduos Flüsterzweieck – das wird sie auch bleiben.

Ihr „Liebesschleim" ist berühmt. In dem Sketch nehmen Ulrike Haidacher und Antonia Stabinger die Sprache grauslich Verliebter auf die Schaufel. Dabei treten sie als körperlich ineinander verwickeltes Flüsterzweieck auf. Ein Telefondialog verschmilzt zum gesungenen, glucksenden, süße Fäden der Zärtlichkeit ziehenden – ja – „Liebesschleim". Muss man gesehen haben. In den vergangenen Jahren ist das Kabarettduo auf diese und andere Arten viele, viele Male auf der Bühne filmisch, stabil und wahnsinnig lustig eskaliert. Jetzt reißt Haidacher aus dem gewohnten Bild aus, um sich als Solokünstlerin zu versuchen. „Ich habe diesen Wunsch, zu wissen, was ich alleine kann", erzählt sie in der Vorbereitungsphase auf ihr erstes eigenes Programm. Sie hat es „Aus Liebe" genannt. Zu sehen gibt es „alte Partydeko, köstliche Fleischwalzen und die Poesie der menschlichen Jauche. Es geht um Opfer und Opfergaben, um Liebe zum Fremden und Hass zum Eigenen." So viel wird schriftlich vo­rausgeschickt. Und mündlich nachgebessert: „Nein, wir trennen uns nicht, wir bleiben zusammen." Mit 23 bzw. 24 Jahren haben die beiden Grazerinnen Haidacher und Stabinger während des Studiums ihre Laufbahn auf der Kabarettbühne begonnen. „Das hat dann so gut funktioniert, dass wir immer zu zweit gearbeitet haben. Und ich denke, jetzt, nach zehn Jahren, wird es auch einmal Zeit für ein eigenes Projekt."

Gleichberechtigt. So eingespielt und erprobt Flüsterzweieck auf der Bühne auch sind, so verschieden sind die beiden Künstlerinnen im Leben. „Antonia hat sich über mein Soloprogramm aber gefreut, weil sie ja auch ihre eigenen Sachen bei FM4 und im Fernsehen macht und weil es unsere Zusammenarbeit befruchten kann, hat sie gemeint. Das kann ich jetzt bestätigen. Es ist aber nicht nur fruchtbar, es ist auch einfacher. Bei Flüsterzweieck sind wir in allen Entscheidungen gleichberechtigt. Etwas zu finden, mit dem beide zufrieden sind, ist komplizierter." Was wegfällt, ist die Sicherheit, gerettet zu werden. Haidachers neue Herausforderung ist jetzt die Eigenverantwortung. „Antonia und ich sagen uns immer, bevor wir auf die Bühne gehen: ‚Wenn etwas passiert, dann hilfst du mir, gell.‘ Wir können uns immer aufeinander verlassen." Das Schreiben an sich war für Ulrike Haidacher dagegen kein Problem, immerhin hat sie in den vergangenen Jahren auch so manchen Text in einer Literaturzeitschrift veröffentlicht. Die größte Not des Solospiels bleibt vielleicht die Zeit, die sie abseits der kleinen und großen Theatersäle verbringen wird. „Durch Dörfer zu touren ist zu zweit überhaupt kein Problem. Allein wird das anders. Ich bin zwar jahrelang auch allein durch Ungarn gependelt (wo sie als OeAD-Lektorin am Germanistik-Institut gearbeitet hat, Anm.), aber das hier könnte schwierig werden. Das höre ich auch von anderen Solokünstlern. Läuft es gut, sitzt du euphorisiert allein in einem Hotel. Läuft es schlecht, sitzt du schlecht gelaunt allein in einem Hotel." „Aus Liebe" erzählt jedenfalls die Geschichte einer Ich-Figur, die durch Zufall auf einer Party landet. „Der Weg dahin ist aber absurd lustig. Die Frau hat seit Jahren einen Konflikt mit einer Schwester und weiß nicht mehr, warum. Beim Versuch, die Sache zu lösen, fällt sie in die Donau." Nach der Rettung wird gefeiert, ungewollt. Formal gesehen wird sich das Solo von ihren bisherigen Skripten unterscheiden, weil es konventioneller ist und eine durchgängige Handlung, eine Geschichte hat.

Aufstieg. Kein Ausstieg. Ulrike Haidacher versucht es dieses Mal allein.
Aufstieg. Kein Ausstieg. Ulrike Haidacher versucht es dieses Mal allein.(c) die Presse (Carolina Frank)

„Es ist sogar, das freut mich sehr, ein richtiges Theaterstück geworden, ein kabarettistisches, das ich allein spielen muss". Zu zweit würden bei Flüsterzweieck viele Texte erst nach den Proben und Improvisationen entstehen. „Jetzt habe ich mir die Freiheit genommen und einfach drauflos geschrieben. Es ist natürlich eine andere Sprache. Ich glaube aber schon, dass man mich erkennen wird. Es kommen auch einige aus Flüsterzweieck bekannte Figuren vor."

Richtige Leute. Wie viel Partymensch steckt in Haidacher privat? Kommt darauf an. „Mit den richtigen Leuten feiere ich gern. Ich kann mich aber auch sehr auf Partys langweilen, das zeige ich dann auch unabsichtlich. Ich sehe sowieso schon schnell gelangweilt aus, auch wenn ich es gar nicht so meine. Wenn eine Party gut ist, bleibe ich aber auch gerne, bis es hell wird." Auf die richtigen Leute setzt sie auch in ihrer Arbeit. Im aktuellen Fall ist es der deutsche Theater- und Kabarett-Regisseur Dieter Woll, der sie schon im preisgekrönten Programm „Stabile Eskalation" gecoacht hat. Mehr Mitwirkende gibt es nicht. „Außer dem Regisseur habe ich, wenn ich nicht muss, im Arbeitsprozess mit wenigen Leuten etwas zu tun." Das sieht sie, nach der Jahres­bilanz der #MeToo-Debatte gefragt, auch als klaren Vorteil. „Mir ist nie etwas Explizites passiert, und das hat wohl hauptsächlich damit zu tun, dass ich mir in diesem Beruf, anders als im Theater, aussuchen kann, mit wem ich arbeite und so in keinen Machtstrukturen stecke." Zehn Jahre Kabaretterfahrung sind auch ein guter Zeitraum, um eine Szene zu beobachten. In der Geschlechtergleichheit hat sich hier sehr viel verändert, sagt sie. „Mir ist aufgefallen, dass uns zu Beginn die weiblichen Vorbilder gefehlt haben. Es gab einfach zu wenige. In den letzten zwei, drei Jahren hat sich das gedreht. Die erfolgreichsten Komiker sind junge Frauen wie Lisa Eckhart, Stefanie Sargnagel und Hazel Brugger aus der Schweiz.

Dass Frauen diesen Platz bekommen, ist neu. Gerade in der Kulturszene, wo sich alle als sehr aufgeklärt sehen und keinen Fehler machen wollen, kann man es sich nach #MeToo eben nicht mehr leisten, Frauen auszuschließen. Du musst es aber dennoch doppelt und dreifach beweisen, dass du den Auftritt wirklich verdient hast. Diese unbewussten oder bewussten Sexismen gibt es überall, auch im Kabarett." Ulrike Haidacher muss jedenfalls nichts mehr beweisen, auch dann nicht, wenn ihr Gegenstück im Publikum sitzt.

Tipp

„Aus Liebe". Ulrike Haidacher, ein Teil des Theaterkabarett-Duos Flüsterzweieck, steht ab 14. November allein auf der Bühne, im Kabarett Niedermair.

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