Kunst in Tirol in der Nazi-Zeit: Die Subtilität des Bösen

Alfons Graber, Kinder mit Kriegsspielzeug (1939).
Alfons Graber, Kinder mit Kriegsspielzeug (1939).(c) Johannes Plattner/TLM
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Einem dunklen Kapitel der Geschichte widmet sich eine Schau im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum: Der Kunst in Tirol in der Nazi-Zeit. Ob angepasst, ideologisch, negiert oder „entartet“.

Einem heiklen Thema widmet sich das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum: „Zwischen Ideologie, Anpassung und Verfolgung. Kunst und Nationalsozialismus in Tirol" ist der Titel der neuen Ausstellung, die am 14. Dezember ihre Pforten öffnet. Und sich damit einem dunklen Kapitel der Geschichte widmet. Soll man das zeigen? Denn natürlich sind auch die Nazi-Zeit idealisierende Bilder dabei. Gerät man nicht in die Gefahr der Verherrlichung? „Nein", sagt Günther Dankl, der Kurator der Schau ganz entschieden. Im Gegenteil: Die Auseinandersetzung mit der Geschichte solle helfen, die Bedeutung der Freiheit der Kunst wieder bewusster zu machen. Dankl: „Wir wollen beleuchten, wie das Betriebssystem des Kunstbetriebs damals funktioniert hat. Es geht überhaupt nicht um eine Heroisierung, sondern darum, zu zeigen, wie subtil das Ganze damals abgelaufen ist. Alle Künstler wurden gezwungen, Mitglied der Reichskunstkammer zu werden. Sonst konnten sie nicht ausstellen und nicht verkaufen. Also auch kein Geld verdienen. So hatte das Regime die Kontrolle darüber, was produziert wurde. Wir müssen aufpassen, nicht wieder in so ein System zu geraten – wo die Freiheit der Kunst gefährdet ist."

Max Weiler, Osttiroler Bauernfamilie (1941), Öl auf Leinwand.
Max Weiler, Osttiroler Bauernfamilie (1941), Öl auf Leinwand.(c) Klaus Dapra

Als die deutschen Truppen am 12.  März in Innsbruck einmarschierten, fanden sie eine jubelnde Bevölkerung und ein mit Hakenkreuzfahnen beflaggtes Innsbruck vor. Denn bereits in der Nacht zuvor hatten die Nationalsozialisten unter der Führung von Edmund Christoph faktisch die Macht übernommen. Die nächtliche Rede, die er am Landhausplatz hielt, schloss Christoph mit den Worten: „Wir sind stolz und glücklich darüber, unserem geliebten Führer unser Heimatland Tirol als die schönste Perle, den Garten Deutschlands, zu Füßen legen zu können." Damit war auch in Tirol der Anschluss an das Deutsche Reich vollzogen. Infolge des Anschlusses wurden alle bis 1938 bestandenen Künstlervereinigungen und -bünde aufgelöst und damit trat auch in dem zur Ostmark gewordenen Österreich das deutsche Reichskulturkammergesetz in Kraft. Nur wer einen Ariernachweis erbringen konnte, „politisch zuverlässig" war und „arteigene" Kunst produzierte, konnte Mitglied werden und damit an den von ihr zwischen 1940 und 1944 organisierten Gau-Kunst-Ausstellungen teilnehmen.

 Franz von Defregger, Mädchenbildnis (1888).
Franz von Defregger, Mädchenbildnis (1888).(c) Johannes Plattner/TLM

Landschaft, Blumen, Akte. Die ideologische und Nazi-verherrlichende Kunst habe in Tirol nicht so großen Niederschlag gefunden, sagt Dankl. „Da war eher München das Zentrum, wo 1937 die Große Deutsche Kunstausstellung eröffnete. Bei den hiesigen Künstlern ging es eher um Verharmlosung: Es wurden Blumenbilder, bäuerliche Still­leben, Akte gemalt." Bilder vom Krieg wurden kaum gezeigt. Wenn dann waren es stimmungsreiche oder naturalistische Landschaftsbilder, die das Kriegsgeschehen ausklammerten.

Zentraler Stellenwert kommt in der Schau den vier Gau-Kunst-Ausstellungen zu: 60 Arbeiten, die damals gezeigt wurden, sind im Ferdinandeum zu sehen. „Das ist natürlich nur ein kleiner Teil. Allein in der letzten Gau-Kunst-Ausstellung waren 400 Arbeiten von 130 Künstlern zu sehen. Wir haben uns um einen repräsentativen Querschnitt bemüht. Und natürlich sind viele Bilder von damals nicht verfügbar", erklärt der Kurator. Alles, was gefällig war, wurde ausgestellt. Bekanntes Beispiel: Max Weilers „Osttiroler Bauernfamilie" aus dem Jahr 1941. „Für die Reichskammer war außerdem wichtig, dass die Preise sehr reduziert waren. Der einfache Mann sollte sich Kunst leisten und ins Wohnzimmer hängen können", sagt Dankl. Bekannte Leitfiguren für die Gau-Kunst-Ausstellungen waren auch die Osttiroler Maler Franz Defregger und Albin Egger-Lienz (die aber beide in der Nazi-Zeit bereits tot waren). Die meisten Künstler der Gau-Kunst-Ausstellungen verschwanden danach wegen Bedeutungslosigkeit von der Bildfläche.

Harald Pickert, Entwurf des achten Blatts für die Radierfolge „Pest­beulen Europas“ (1945), Tusche, Bleistift auf Papier bzw. Transparentpapier.
Harald Pickert, Entwurf des achten Blatts für die Radierfolge „Pest­beulen Europas“ (1945), Tusche, Bleistift auf Papier bzw. Transparentpapier.(c) TLM

„Gottbegnadeter" Künstler. Wie schmal der Grat zwischen angepasster, ideologischer und negierter Kunst war, will die Ausstellung beleuchten: Etwa anhand einer Zeichnung von Eduard Thöny, einem Südtiroler Künstler, der zu den wichtigsten Zeich­­­nern der Satire-Zeitschrift „Simplicissimus" zählte. Bis zur Einstellung der Zeitschrift lieferte Thöny wöchentlich Zeichnungen aus Gesellschaft und Militär, ohne das politische und gesellschaftliche Zeitgeschehen im Nationalsozialismus kritisch zu deuten. Die Schau zeigt eine Zeichnung, die 1903 mit Text erschien, sie karikiert die Dummheit der Touristen. Später wurde genau dieselbe Zeichnung ohne Text als „Tiroler Bauern" ausgestellt. Thöny wurde von Hitler 1944 in die „Gottbegnadeten"-Liste aufgenommen, obwohl er selbst kein überzeugter Nationalsozialist war. Ein Tiroler Künstler, der vom Regime wegen angeblicher Kontakte zu Schuschnigg-Verbündeten negiert wurde, ist der Kitzbüheler Alfons Walde.

Alfons Walde, Wir klagen an! (1946).
Alfons Walde, Wir klagen an! (1946).(c) TLM

In einem eigenen Ausstellungsbereich wird das Schicksal des Kufsteiner Malers und Radierers Harald Pickert dargestellt. Wegen seiner offenen Kritik am NS-Regime und seiner bekundeten Weigerung, an Ausstellungen im Haus der Deutschen Kunst teilzunehmen, wurde er 1939 verhaftet. Er kam in die Konzentrationslager Sachsenhausen, Dachau und Mauthausen – und überlebte mit viel Glück. In den Konzentrationslagern fertigte er eine Mappe mit 20 Tuschezeichnungen an: „Pestbeulen Europas. Naziterror in Konzentrationslagern". In ihnen hat der Künstler das Grauen im Kon­zentrationslager festgehalten. Nach seiner Befreiung 1945 fand er keinen Verlag, um die Mappe herauszugeben. Sie geriet bis nach seinem Tod in Vergessenheit. In der Ausstellung werden die Mappe und die entstandenen Skizzen und Zeichnungen nun erstmals öffentlich präsentiert.

Tipp

„Zwischen Ideologie, Anpassung und Verfolgung". Kunst und Nationalsozialismus in Tirol. Die Ausstellung ist von 14. Dezember 2018 bis 7. April 2019 im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum zu sehen. www.tiroler-landesmuseen.at

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