Avantgarde und Aufbruch

Für Leseperformances mit Petra Morzé kam Prantner zuletzt nach Graz und Wien.
Für Leseperformances mit Petra Morzé kam Prantner zuletzt nach Graz und Wien. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Seit mehr als 30 Jahren macht Elisabeth Prantner als Lisa D. Mode in Berlin und Graz. Nun legt sie ein Buch über den Beginn ihrer Karriere vor.

Vielleicht sind es ja die südösterreichischen Wurzeln der Autorin und eben das Kärntnerische, die sich bei der Titelfindung für ihr Buchdebüt einmal kurz in den Vordergrund drängten: „Klääsch“ erinnert natürlich an das englische „Clash“, aber halt auch jenen „Kläscher“, den es bei einem abrupten Aufprall macht. Oder den man salopperweise jemandem attestiert, den man, nun, nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte wähnt.

Letzteres zumindest sei definitiv nicht ihre Intention gewesen, versichert Elisabeth Prantner: In dem Buch, einem „Zeitporträt“, wie sie es nennt, und auch einem gelungenen Beispiel erinnernder Dokufiktion, gehe es ja um „Zusammenstöße mit Kunst“. Das sagt der Untertitel, und das ist letzten Endes auch das Charakteristikum im Werk von Prantner als Modedesignerin: Seit 1989 lebt sie in Berlin, hat dort erfolgreich ihr Label Lisa D. aufgebaut und ist dieser Tage nach Graz, Klagenfurt und Wien gekommen, um bei Leseperformances ihr literarisches Debüt vorzustellen

Eigentlich hätte es ein Coffeetable-Buch werden sollen, also ein reich bebilderter und tendenziell eher textarmer Prachtband – mit dem Ziel, ihre interdisziplinären Projekte aus dem Kunst- und Theaterbereich mit Verbindungen zur Mode gesammelt zu präsentieren. Das war eine Idee der Steirischen Kulturinitiative, die wiederholt mit Prantner zusammenarbeitete. Seit den frühen Achtzigerjahren tritt die Designerin regelmäßig im Kontext der avantgardistischen Kulturproduktion in Erscheinung, kooperierte neben dem Steirischen Herbst auch mit dem Burgtheater und den Salzburger Festspielen.

Rekonstruierte Erinnerungen

Einen reinen Bildband zu machen, das habe sie nicht wirklich interessiert, sagt die Designerin und Autorin, darum entschloss sie sich für eine Art Doku-Roman. Als Protagonistin fungiert die fiktive Ich-Erzählerin Alice Daddledale – zugleich „mein Alter Ego“, so die Autorin in einem „Übrigens“ betitelten Nachwort. Fast alle anderen handelnden Personen seien aber authentisch, und die Arbeit an dem Buch, vier lange Jahre, habe sich als überraschend intensiv herausgestellt: „Alles, was da zu lesen ist, stimmt. Was nicht direkte Erinnerungen sind, wurde in genauer Recherche herausgefunden.“ Überhaupt bezeichnet Pratnner es als „schmerzhaft und erschreckend“, wie viel Erlebtes nicht mehr ohne Weiteres abrufbar ist und aus dem eigenen Erinnerungsschatz verschwand.

Eine Herausforderung für sie, ihren erheblich an dem Roman beteiligten Mann, Wilfried, und die Gestalter des Berliner Maro-Verlags sei – das verwundert wenig – die Suche nach Bildmaterial gewesen: Das Buch behandelt die Jahre 1984 bis 1994, „fünf Jahre vor und nach der Wende also, und ich bin ja 1989 nach Berlin gegangen“. Davor lebte die gebürtige Kärntnerin jahrelang in Graz, hatte Berührungspunkte zum Beispiel mit der literarischen Avantgarde um das Forum Stadtpark. Digitale Bilder, womöglich fein säuberlich in einem Facebook-Album abgespeichert, existieren aus dieser Zeit natürlich nicht. „Es war wirklich ein Glück, dass wir so viele Fotos gefunden haben, aber sie waren zum Teil in einem furchtbaren Zustand.“

Aus heutiger Perspektive ist das ja ein bisschen schwierig nachzuvollziehen, aber das Selbstbewusstsein der Grazer (Kunst- und Literatur-)Avantgarde war in den Achtzigerjahren, als Elisabeth Prantner dort lebte, so groß, dass sich ihr Umzug nach Berlin nicht zwingend so anfühlte, als würde sie aus der Provinz in die Großstadt kommen. Die Energie in der gerade wieder vereinigten Stadt sei komplett anders als heute gewesen, „umgekehrt war dort vieles möglich, was heute undenkbar wäre. Meine Ateliermiete hat damals 100 D-Mark gekostet, und so ist es auch möglich gewesen, eine Karriere zu starten, die es heute in der Form vielleicht gar nicht geben würde.“

Nachhaltiges Denken

Das Buch, meint Elisabeth Prantner, sei zugleich etwas wie ein Schlussstrich unter die vielen Jahre, die sie mit ihrem Label als Lisa D. verbracht hat. Schon seit einigen Jahren interessiert es sie immer weniger, klassische Kollektionen zu entwerfen und Teil der herkömmlichen Konsumkultur zu sein. Der Nachhaltigkeitsgedanke hat sie stark beeinflusst: „Ich habe heute fast bei jedem Kleid, das ich verkaufe, ein schlechtes Gewissen.“ Eine Konsequenz, die sie daraus gezogen hat, war die Gründung eines Vereins und eines Mode-Umarbeitungsateliers namens „Bis es mir vom Leibe fällt“.

Wer weiß – wenn sie sich noch weiter aus der Mode zurückgezogen hat, schreibt Elisabeth Prantner mit ihrem Mann ja vielleicht ein zweites Buch. Jetzt, da eben ihr Erstling erschienen ist, schüttelt es sie freilich fast bei dieser Vorstellung: „Nein, um Gottes willen, das tue ich mir nicht noch einmal an.“

ZUR PERSON

Elisabeth Pratner ist gebürtige Kärntnerin und übersiedelte Ende der Siebzigerjahre nach Graz. Nach einem Auslandsaufenthalt in New York startete sie das Label Lisa D. 1989 Umzug nach Berlin. Soeben im Maro-Verlag erschienen: „Klääsch. Zusammenstöße mit Kunst, Mode und anderen Disziplinen“. Ein Doku-Roman, in dem als Protagonistin die fiktive Ich-Erzählerin Alice Daddledale fungiert. Fast alle Personen in den Buch seien authentisch: „Alles, was da zu lesen ist, stimmt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2019)

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