Währings Villa Kunterbunt

Stefan Stürzer und Marlies Stohl vor der Villa Schapira.
Stefan Stürzer und Marlies Stohl vor der Villa Schapira.(c) Caio Kauffmann
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Die Creau ist Geschichte, geblieben ist eine Kreativgenossenschaft: Aktuell bespielen Usus die verwunschene Villa Schapira beim Türkenschanzpark.

Auf einmal steht eine junge Frau im Eingang. Was das hier in der Villa sei, will sie wissen. Und ob sie sich mit ihren Begleitern, die draußen warten, kurz umschauen dürfe?

Sie darf. Anfragen wie ihre ist man hier gewöhnt, spätestens seit der ersten Ausstellung Ende Juni, an die immer noch Leuchtbuchstaben an der Fassade erinnern. Seither taucht immer wieder jemand auf, der diesen Prototyp einer verwunschenen Villa vom Vorbeifahren kennt – und wissen will, wie sie von innen aussieht.

Denn zugänglich war der verspielte Bau beim Türkenschanzpark mit seinen malerischen Verfallserscheinungen und dem verwilderten Garten zumindest in jüngerer Vergangenheit nie. Bis vor zwei Jahren war hier das Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement der Boku untergebracht, die Bürolampen und Elektroleisten an den Wänden erinnern noch daran. Seither sorgte man sich im Bezirk um den Fortbestand des denkmalgeschützten Gebäudes.

Dieser scheint nun in Form von Luxuswohnungen gesichert. Bis dahin, jedenfalls zumindest bis zum Frühjahr, dient das Haus dem Usus-Kollektiv als Währinger Villa Kunterbunt, mit Künstlerateliers und Raum für Feiern und Projekte. Auch zum Wohl des Hauses. „Wer etwas nutzt, kümmert sich“, sagt Stefan Stürzer, Gründer des Kulturvereins Werk und einer der Masterminds von Usus.

Entstanden ist Usus aus der Creau, der kreativen Zwischennutzung alter Stallungen der Trabrennbahn Krieau. Dort hat ein Team von Leuten verschiedenster Branchen zusammengefunden, von PR, Grafik und Eventproduktion bis zu Tischlern, Elektrikern und Gastronomen. Gemeinsam habe man den „Ochs und Esel“-Wintermarkt als Auftakt gestemmt, erinnert sich Marlies Stohl, und das sei so gut gelaufen, dass man beschlossen habe, eine gemeinsame Firma zu gründen.

„Wie ein Swat-Team“

Geworden ist es letztlich, im April 2017, eine Genossenschaft. „Unser Ziel ist, gemeinsam gleichberechtigt zu wirtschaften“, sagt Stohl, die als Vorstandsvorsitzende agiert (und die auch die Plattform „Karriere unter Umständen“ mitbetreibt – wie sie haben hier alle noch andere Standbeine). „Wir sind so aufgestellt, dass wir relativ schnell wie ein Swat-Team einfallen können“, erklärt sie das Modell.

Wobei man auch langfristige Projekte betreibt: Eine Rad-WG im Sechsten für Mieter ohne Abstellplatz, das Usus im Schauspielhaus als Theaterbuffet mit Silent Cook Patrick Müller, am Yppenplatz entsteht gerade ein eigenes Büro mit angeschlossenem Designshop. Klassische Zwischennutzung ist hingegen die von der BIG bzw. deren Tochter ARE (Austrian Real Estate) überlassene Villa Schapira. Dort lehnt im ersten Raum ein falscher Klimt auf dem Kaminsims, im übernächsten gewähren hinter einem Samtsofa prächtige Glasfenster Blick ins Grüne. Wie ein Solitär soll in jedem Zimmer ein Möbelstück Atmosphäre verbreiten. „Wir sind noch am Sammeln“, sagt Stürzer. „Sofas, coole Tische – bevor man etwas wegschmeißt, bitte her!“

Das Untergeschoß des 1922 erbauten Hauses kann man für Events und Privatveranstaltungen mieten. Im Mai war die Villa Schauplatz einer Oper, eine Hochzeit fand schon hier statt, im Herbst feiert das Neunerhaus sein 20-jähriges Bestehen. Dazu kommen Usus-Eigenveranstaltungen, kürzlich etwa die Gruppenausstellung „Partisanen“, u. a. mit Norbert Brunner, Dagmar Rohm, Noemi Kiss oder Litto. Das Format samt seiner Pop-up-Galerie soll als Serie fortgesetzt werden.

Noemi Kiss oder Litto zählen auch zu jenen Künstlern, die in der Villa Quartier bezogen haben. Die oberen Stockwerke sind zu niedrigen Beträgen als Ateliers vermietet. Neben mehreren Malern arbeiten hier auch zwei „Sound-Nerds“ aus Stürzers Werk, ein Schlagzeuger, ein Bildhauer, eine Illustratorin, zwei Radiomacher oder die Leute vom Zirkus Mops.

Im zugewucherten Garten mit Kirschen, Äpfeln und Birnen baut eine Gärtnergruppe Gemüse an, unter dem Maulbeerbaum liegt die Outdoordusche – mit Duschvorhang: Die Äste reichen bis auf den Boden, mit Glück kann sich der Duschende eine reife Beere in den Mund stecken. Es sei denn, Koch Patrick Müller war schon da – er bedient sich ganz gern hier.

AUF EINEN BLICK

Usus ist ein als Genossenschaft gegründetes Kreativkollektiv, das aus dem Zwischennutzungsprojekt Creau entstand. Marlies Stohl ist Vorstandsvorsitzende, Stefan Stürzer kümmert sich um Gastronomiekonzepte, Sponsoring und die Vermietung der Villa Schapira. Die Villa in der Max-Emanuel-Straße 17 wird bis März 2020 genutzt – wobei man hofft, noch nächsten Sommer bleiben zu dürfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2019)

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