Porträt: Der Siegeszug des Balkan-Borat

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Mit grotesker Sangeskunst wird der montenegrinische Emigrant Ekrem Jevric in New York zum Web- und Werbestar. Bereits viereinhalb Millionen Mal wurde das Video seines Trash-Hit Kuca-Poso, Poso-Kuca angeklickt.

Die Sonnenbrille auf der immensen Adlernase ist zu dunkel, der Anzug wirkt zwei Nummern zu groß. Er gebe sich „Mühe“ beim Singen, aber drei Jahrzehnte emsigen Kettenrauchens seien an seiner Stimme eben nicht unbemerkt vorübergegangen. So besingt der in die USA ausgewanderte Montenegriner Taxifahrer Ekrem Jevric – so erfolgreich wie kein Zweiter – das Los der Immigranten in der großen Stadt: Auf YouTube ist der Mann mit der Adlernase in kurzer Zeit zum Weltstar geworden.

Bereits viereinhalb Millionen Mal wurde das Video seines Trash-Hit „Kuca-Poso, Poso-Kuca“ („Haus-Arbeit, Arbeit-Haus“) angeklickt. Weltweit sei er damit der „fünft- oder sechstpopulärste Sänger“, berichtet Ekrem stolz.

Wo der britische Komiker Sacha Baron Cohen als kasachischer TV-Reporter Borat seine Anhänger nur mit inszeniertem Klamauk bezirzen konnte, begeistert „Balkan-Borat“ Ekrem seine wachsende Fangemeinde durch seine verblüffende Authentizität. Mit seiner grotesken Ode auf das amerikanische Immigrantenlos hat der vierfache Familienvater nicht nur in der ex-jugoslawischen Diaspora in den USA und in den Nachfolgestaaten des zerfallenen Vielvölkerstaats den Durchbruch zum begehrten Barden geschafft. Ob die BBC oder der „Independent“: Der kometenhafte Aufstieg des gelernten Polsterers vom Taxifahrer zum YouTube-Star lässt auch die internationale Medienwelt kräftig rauschen.

Ekrems Erfolgshit ist schlicht gestrickt, doch trifft er trotz der unfreiwilligen Komik auch das Lebensgefühl seiner Landsleute in der Fremde genau. Das bei südosteuropäischen Pop-Interpreten so populäre E-Piano unterlegt den nicht immer tonsicheren Singsang. „Ich lebe in New York– und arbeite nur“, jault Ekrem, während er sein Taxi durch den Straßendschungel von New York steuert. „Haus-Arbeit, Arbeit-Haus: Das ist alles, was ich kenne.“ In dem selbst komponierten Klagegesang auf die entseelte Beton-und-Hunde-Metropole New York hat Ekrem seine 22-jährigen Erfahrungen als Arbeitsemigrant verarbeitet. Die Leute hätten keine Zeit, seien „entweder bei der Arbeit oder müssen nach Hause, für die Arbeit lassen die Frauen selbst die Kinder allein“, erzählt Ekrem, wie er auf die Idee für seinen größten und bisher einzigen Erfolgshit kam.

Unzählige Videos mit Ekrem-Parodien kursieren bereits im Internet. Wie ein heimgekehrter König wurde er bei seiner erstmaligen Rückkehr in seine Heimat Mitte Juli am Flughafen der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica empfangen. „Ekrem – der neue Messias“ lautet der Titel einer Collage seiner Facebook-Fans.

Das Video

Weniger seinen sängerischen Gaben als seinem italienischen Aussehen hat der Mann mit der Hakennase indes seinen ersten Werbevertrag zu verdanken: 1000 Dollar und eine neue Sonnenbrille verdiente Ekrem bei einem zweitägigen Modeleinsatz für die Marke Dolce und Gabbana. Bisher habe er seinen YouTube-Erfolg noch nicht so richtig versilbern können, räumt Ekrem offen ein. Doch nicht nur die geplante englische Version seines Hits („House-Working, Working-House“) soll für den derzeit durch die TV-Studios und Redaktionsstuben seiner Ex-Heimat ziehenden Sänger endlich den Ruhmesrubel rollen lassen. Für den Herbst hat er bereits einen Vertrag zur Teilnahme an der Realityshow eines serbischen Privatsenders in der Tasche, im bosnischen Sarajewo nimmt der Endvierziger derzeit seine neue Platte auf.

In seine alte Heimat wolle Ekrem aber nicht mehr zurückkehren. Das frühere Jugoslawien, aus dem er emigriert sei, habe ihm besser gefallen, nun schienen sich „alle gezielt zu entzweien“, bedauert der Barde: „Die Lage wäre vielleicht besser, wenn die Leute mehr singen und sich weniger mit Politik beschäftigten würden.“

Auf einen Blick

YouTube-Star: Der montenegrinische Taxifahrer Ekrem Jevric wurde durch seinen Trash-Hit „Haus-Arbeit“ in den USA und
in Ex-Jugoslawien zum Internet-Star. Zuletzt warb er für Dolce und Gabbana.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2010)

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