Das Ende einer Grazer Ära: Schluss für Tanzschule Kummer

Ende einer Grazer aera
Ende einer Grazer aera(c) APA (Georg Hochmuth)
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2009 hat sie noch die Opernball-Eröffnung dirigiert, jetzt sperrt Daniela Kummer ihre Tanzschule zu: „Gesellschaftstanz ist für mich nicht zeitgemäß.“

Kummer oder Kern-Theissl?“ Das war Jahrzehnte eine Standardfrage unter Grazer Jugendlichen – selbst wenn es natürlich auch andere Tanzschulen gab. Aber Kummer und Kern-Theissl, das waren quasi die Häuser am Platz, und wer sich für „die Kummer“ entschied, wählte damit die ältere, traditionsreichere, in der man lange Zeit auch noch Benehmen lernte und weiße Handschuhe für den Herrn erst spät nicht mehr verpflichtend waren. Frischer Wind hielt 1995 Einzug, als Daniela Kummer die Tanzschule am Grazer Hilmteich von ihrer Mutter übernahm. 2009 noch choreografierte sie mit ihrem Bruder als erste Tanzschule nach Elmayer die Opernball-Eröffnung. Doch jetzt ist Schluss: Vor zwei Wochen gab es eine letzte Gala, am Sonntag fand der letzte Übungsabend statt. Ganze Generationen nahmen unter Jugenderinnerungen von ihrer Tanzschule Abschied.

Alles aus, obwohl Tanzen doch boomt? Wirtschaftliche Gründe im engeren Sinn schließt Daniela Kummer als Ursache aus. Im weiteren Sinn war da schon lange das Problem mit dem Gebäude. Das malerisch am Waldrand gelegene, denkmalgeschützte Schweizerhaus ist seit Langem in schlechtem baulichen Zustand. „Es ist nicht einmal gedämmt“, sagt Kummer. „Wir heizen den Wald mit. Da müsste man sehr viel Geld investieren.“ Doch dazu kam noch ein ganz anderer Grund. „Mir ist immer mehr aufgefallen“, sagt Kummer, die mit ihrem Bruder in der Tanzschule ihrer Eltern aufgewachsen ist, „dass mir diese Art des Tanzens gar nicht gefällt. Ich halte sie für nicht zeitgemäß.“

In der Beschäftigung mit den verschiedenen Tänzen, sagt Kummer, habe sie immer mehr Hintergründe entdeckt, die ihr nicht stimmig erscheinen und nennt als Beispiel den Quickstep, bei dem irgendwann in der Geschichte der Takt verändert wurde, die Schritte aber gleich blieben. „So kann der Mensch ja in keinen Flow kommen, der für mich der gesündeste Aspekt am Tanzen ist.“ Auf ihrer Homepage geht Kummer die Tänze sogar durch. Samba? Habe nichts mit seinen brasilianischen Wurzel gemein. Rumba? „Ein Missverständnis.“ Nur der Walzer, der passt.

Ein kleiner Trost, denn generell will Kummer das Tanzen „ganzheitlicher“ verstanden wissen, getragen von der Musik, mit weniger Fokus auf richtig und falsch. „Das Konzept, mit dem Gesellschaftstanz unterrichtet wird, hat ja einen gegenteiligen Lerneffekt, ähnlich wie in der Schule.“ Nun will Kummer also „das Tanzen neu erfinden“ – und sich um jene kümmern, „die bisher immer sitzen geblieben sind“.


Fürs Erste widmet sie sich allerdings einer anderen Aufgabe. Sie hat die Organisation des Projekts „Scurdia“ übernommen, das rund um den Pianisten Markus Schirmer Musiker aus der ganzen Welt vereint. Für das Schweizerhaus sucht indes der Eigentümer, die Stadt Graz, eine neue Nutzung. Ihr Bruder Edgar, der in der Oststeiermark die „Mobile Tanzschule“ der Familie betreibt, habe dankend abgelehnt. Daniela Kummer ist trotzdem nur ein bisschen wehmütig: 60 Jahre nach der Gründung und 35 Jahre nach dem Tod des Gründers habe die Sache nun „ein rundes Ende“ gefunden.

Auf einen Blick

Die Tanzschule Kummer wurde 1950 von Julius und Erika Kummer am Grazer Hilmteich gegründet. 1984 führte Erika Kummer als erste Frau die Polonaise des Wiener Opernballs an, 2009 hatten ihre Kinder Daniela und Edgar diese Aufgabe. Nun hat Daniela Kummer die Grazer Tanzschule aufgegeben. Die „Mobile Tanzschule“ in der Oststeiermark besteht weiter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2011)

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