Marcus Zbonek: Große Auftritte mit großen Gefühlen

Marcus Zbonek
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Der Schauspieler, Autor und ehemalige Werbetexter Marcus Zbonek macht Karriere als Herr Tischbein. "Kragenweite" heißt sein erstes Album.

Wir haben viele Schellacks“, erzählt Marcus Zbonek, besser bekannt als Herr Tischbein, über den seltsamen Produktionsprozess seiner Ohrwürmer, „die schieben wir in einen Ofen und backen sie in einem komplizierten Verfahren, um ihnen ein letztes Mal beste Abspielqualität am Grammofon abzutrotzen. Dann samplen wir Passagen davon und entwickeln unsere Melodien und Rhythmen.“

Diese unorthodoxe Methodik zeitigte ungewöhnliche Erfolge. Im Vorjahr lancierte er mit „Sympathie“ den vielleicht spätesten Sommerhit aller Zeiten. Das charmante Electro-Pop-Chanson bequemte sich nämlich erst im November in die Spitzenränge der heimischen Charts. Spät kam auch Zbonek selbst zur Musik. Seinem Stammbaum gemäß versuchte er sich zunächst als Schauspieler. Vater Edwin Zbonek war Regisseur und Begründer des Filmfestivals Viennale. Mutter Christa Irrall spielte mit Helmut Qualtinger Kabarett, und Tante Elfriede Irrall, bekannt geworden durch die TV-Serie „Familie Merian“, ist derzeit am Wiener Volkstheater zu sehen.

Marcus Zbonek spielte schon als Kind in „Peter Pan“ und „Emil und die Detektive“ am Theater an der Wien. Nach seinem späteren, offiziellen Abschluss an der Schauspielschule von Elfriede Ott verlor er sich einige Jahre in der in- und ausländischen Off-Szene, ehe ihn eine neue Art von Erleuchtung vom vorgegebenen Weg abbrachte: Techno. Das sich in den Neunzigerjahren zum Breitensport entwickelnde Musikgenre verführte Tausende mit verschärften Sounds zum Indoor-Zappeln. Zbonek verwandelte sich in MC Mars und trat mit seiner Elektronikkombo Living F/X auf notorisch hedonistischen Raves und Technosoireen auf.

„Dass ich plötzlich statt in einem Kellertheater vor 8000 Menschen im Gasometer agieren konnte, das war schon was“ schwärmt Zbonek. Irgendwann kam trotz all dieser Freuden eine Sehnsucht nach solidem Lebenswandel auf. Der gab er nach. Im reifen Alter von 30 Jahren heuerte er als Praktikant in einer Werbeagentur an. Obwohl er sich dort als Texter und Konzeptersteller einigermaßen kreativ austoben konnte, fehlte ihm mit der Zeit der Duft der Gefahr, wie er nur bei Auftritten vor Publikum in der Luft hängt. Das Pseudonym war bei Erich Kästner schnell gefunden, die neue musikalische Ausrichtung ebenfalls: Electro-Swing. Statt wüstem Underground regiert nun swingender Schalk.


Die auf dem eben erschienen Debütalbum „Kragenweite“ versammelten Lieder verbinden Nostalgiesehnsucht mit modernem Puls. In Liedern wie „Lieb Dich Nicht“ und „Sympathie“ wird den wilden Streichen Cupidos gehuldigt. Ist die romantische Liebe in unseren von Effizienzfieber dominierten Zeiten überhaupt noch en vogue? Zbonek bejaht und fordert Mut zum Glücklichsein. „Es lernen sich zwar wahrscheinlich mehr Menschen übers Internet kennen als bei einem Spaziergang auf der Prater Hauptallee, aber das Wesentliche ist gleich geblieben: man muss sich trauen.“ Als Herr Tischbein wagt sich Zbonek nicht nur in unerforschte zwischenmenschliche Bereiche vor, sondern hat auch den Mut, zu nuscheln statt sauber zu intonieren. In Deutschland liebt man das. Dort wird er als neuester Nostalgie-Gigolo zwischen Max Raabe, Roger Cicero und Götz Alsmann gefeiert. In „Meine Welt“ entwirft er trotz musikalischer Rückwärtsgewandtheit eine Utopie.

„Das Kritisieren ist viel zu populär“, sagt er und schwärmt von seinem Ideal: „Ich finde es interessanter, wenn man sich persönlich eine Gegenwelt bastelt, statt ständig herumzuraunzen. Bei mir wäre es eine Welt, in der Verbote verboten sind und es weder Schulden noch Sorgen gibt.“ Was es bei ihm indes zwingend gibt, ist der Reim. Neuerdings praktiziert er mit Hilfe eines Pianisten und Zurufen aus dem Publikum eine wild gereimte Stehgreifmusik. Aber das ist vielleicht schon das nächste Kapitel im unsteten Leben des Herrn Zbonek.

Auf einen Blick

Neue CD. In seinem soeben erschienenen Album „Kragenweite“ verbindet Marcus Zbonek alias Herr Tischbein in Liedern wie „Lieb Dich Nicht“ und „Sympathie“ Nostalgiesehnsucht mit einem modernen Puls. Außerdem bricht er eine Lanze für die romantische Liebe.

Damit kommt er nicht nur in Österreich an. In Deutschland wird er sogar als neuester Nostalgie-Gigolo zwischen Max Raabe, Roger Cicero und Götz Alsmann gefeiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2012)

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