Zeugungsorttheorie

(c) Carolina Frank
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Jeder zehnte Deutsche, habe ich gelesen, soll bereits in einem Ikea-Bett gezeugt worden sein.

Jeder zehnte Deutsche, habe ich gelesen, soll bereits in einem Ikea-Bett gezeugt worden sein. Es ist zwar nicht wissenschaftlich erwiesen, dass der Ort, an dem die elterlichen Zellen zueinander gefunden haben, Einfluss auf das spätere Leben hat, aber die Menschen glauben ja auch an Astro­logie und Numerologie. Ich persönlich glaube da lieber an die Zeugungsorttheorie. Man könnte sie Procreatio­logie nennen. Demnach kann man Menschen nach dem Bett einteilen, ­in dem sie gezeugt wurden. Ikea-Bett-Menschen, bei denen der Vater, der vielleicht von seinem Glück noch gar nichts ahnte, nur kurz den Imbusschlüssel zur Seite legte, bevor ihn der Zeugungswunsch übermannte, werden später praktisch denkende Duzer mit einer Vorliebe für Heidelbeer­kuchen und schwedischen Lachs.

Im Unterschied zur Federkernmatratzen-Generation, die ein paar Jahre vorher gezeugt wurde. Die ist ein wenig steifer, dafür härter im Nehmen und lässt sich von ein paar Durchhängern nicht gleich entmutigen. Nervlich ist sie wahrscheinlich stabiler als die noch früher Gezeugten, deren Eltern in Ermangelung eines eigenen Zimmers höchstens Zeit für einen raschen Quickie auf dem ausziehbaren Wohnzimmersofa bei der streng katholischen Tante hatten. Gar nicht zu denken an die noch prekäreren Zeugungsverhältnisse auf dem schmalen Rücksitz eines Käfers oder in Wald und Flur. Man könnte sich eine besondere Resistenz gegen Blasenentzündungen vorstellen. Wie sich die Reagenzglas-Generation entwickeln wird, der noch vor ihrer Zeugung die perfektesten Lebensbedingungen geboten wurden, lässt sich noch nicht abschätzen. Eventuell eine gewisse Aversion ­gegen den Kampf ums Dasein. Aber dafür werden es vielleicht gute Schwimmer.

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