Beleidigende Gesten

(c) Carolina Frank
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Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, heißt es. Aber Juristen sagen: Es kommt ganz darauf an,

Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, heißt es. Aber Juristen sagen: Es kommt ganz darauf an. Zum Beispiel kann jemand in aller Unschuld drei Biere bestellen, und übereifrige Verfassungsschützer legen ihm das als Kühnengruß aus. Das ist alles schon passiert. Später konnte derjenige trotzdem noch Vizekanzler werden. Derzeit ist eine Gesetzesnovelle im Gespräch, laut der ein Bürger auch schon strafbar werden kann, wenn er nur zwei Biere bestellt. Vorausgesetzt, er verwendet dafür den Zeige- und Mittelfinger. Aufmerksame Beobachter erkennen dahinter nämlich nicht nur das „V" des Victoryzeichens, sondern auch den Gruß der kurdischen PKK. Und der könnte bald ebenfalls verboten werden. Sicher, Wins­ton Churchill verwendete auch gern das Victoryzeichen, und niemand würde sagen, er war ein Terrorist. Wobei, da kommt es natürlich immer darauf an, wen man fragt. Gesten sind ja generell sehr missverständlich. Während man bei uns für das Victoryzeichen bald mehrere Tausend Euro Strafe zahlen muss, ist das umgekehrte Victoryzeichen gratis. In England hingegen gilt das als schwere Beleidigung. In Worten ausgedrückt wäre es in etwas gleichbedeutend mit dem Wort, das mit „A" anfängt und mit „och" aufhört. Die Engländer würden sich ihr Victoryzeichen bestimmt nicht gern verbieten lassen. Nicht einmal das umgekehrte. Denn auch beleidigende Gesten gehören zum Kulturgut. Eine Geste sagt eben oft mehr als tausend Worte. Wie sollte man jemandem in zwei Sekunden sagen, dass er der größte Vollidiot ist, der jemals ­versucht hat, sein Auto in eine zu kleine Parklücke zu stellen, wenn man ihm dafür nicht den Vogel zeigen könnte! So gesehen kann man nur ­hoffen, dass es nie einer verbotenen Organisation einfällt, das als Gruß zu wählen.

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