Immer wieder Ibiza

(c) Carolina Frank
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Eigentlich war der Samstagnachmittag ja dem Kitt vorbehalten, der den größeren Teil der Familie zusammenhält.

Sogar in einem völlig verregneten Mai können Sonnenfenster manchmal ungelegen kommen. Eigentlich war der Samstagnachmittag ja dem Kitt vorbehalten, der den größeren Teil der Familie zusammenhält: dem Fußball. Die deutsche Meisterschaft ist bis zum letzten Spieltag offen, da kann der Titel während neunzig Minuten oft mehrmals hin und her wandern, dramatische Konferenzschaltungen zwischen den Spielen inklusive, bei diesem Wetter muss man nicht einmal ein schlechtes Gewissen haben. Dachten wir. Doch dann ist zuerst der Samstag strahlend schön, dann ordnet das Video aus Ibiza die Präferenzen neu: Fernsehen trotzdem, aber eben Politik statt Fußball. Die beiden Älteren feiern das Ibiza-Video auch aus ästhetischen Gründen: Vor allem das semitransparente Leiberl und der Armschmuck des ehemaligen Vizekanzlers haben es ihnen angetan.

Die Klassifizierung des Verhaltens („wie ein Teenager") in der nachgereichten Erklärung stößt dann auf wenig Verständnis. „Der hat auch keine Ahnung", meint der Mittlere. Und er weiß aus erster Hand, wie sich Teenager so benehmen. Dann entsteht es doch noch, das Fernsehloch parallel zum Wetterfenster – durch ein frühes Bayerntor nach vier Minuten, eine Kanzlererklärung erst zur besten Sendezeit am frühen Abend. Da sind sie, die ersten Maistunden, die sich auch danach anfühlen. Am Abend wird wieder ferngesehen: die Tore des Nachmittags im Zeitraffer, David Alaba hat auch eines geschossen, die Rede des Bundeskanzlers in ganzer Länge samt Analysen und runden Tischen danach. Und immer wieder Ibiza. „Das könnte man sich in einem Loop ewig anschauen", meint der Mittlere und schüttelt immer noch den Kopf. Ich warte lieber auf das nächste Sonnenfenster.

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