Klanglicht: „Wenn es uns nicht mehr gibt?“

Tina Frank bespielt am Osterwochenende das Grazer Künstlerhaus.
Tina Frank bespielt am Osterwochenende das Grazer Künstlerhaus.(c) Katharina F.-Roßboth
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Tina Frank stellt in Graz mit einem digitalen Stück Fragen nach der Zukunft – und plädiert damit für mehr „Angreifbares“ im Leben.

Irgendwo in der Schönbrunner Straße unweit des Wiener Naschmarkts öffnet sich ein Tor in Richtung eines verwunschenen Innenhofs. Hier gibt es Gemüsebeete und zwei Ziegen, alte Firmenschilder und hinten, im großen Backsteingebäude, das Wiener Filmquartier mit seinen Locations und seinem Fundus an mehr oder weniger wunderlichen Ausstattungsstücken. Hier, inmitten dieses analogen Idylls, hat in einem ebenerdigen Studio auch Tina Frank ihr Büro.

Die 49-Jährige ist Videokünstlerin, Grafikdesignerin und Professorin an der Kunstuniversität Linz – und eine von Österreichs Pionierinnen im Visualisieren elektronischer Musik. Das sei damals, in den frühen Neunzigern, oft so gewesen: Die Männer haben die Musik gemacht, die Frauen das passende bewegte Bild.

Heute arbeitet Frank viel mit anderen Frauen zusammen, für das Grazer Klanglicht-Festival am kommenden Wochenende zum Beispiel. Da ist ihre Partnerin Alexandra Murray-Leslie. Die Australierin hat 1997 in München das Kunst- und Musikkollektiv Chicks on Speed mitbegründet, dazu gehörte damals unter anderem die Seppi-Bar und eine „Fake Band“, die etwa mit einem Cover von „Kaltes, klares Wasser“ realen Erfolg hatte.
Frank kennt Murray-Leslie noch aus diesen Anfangszeiten, „ewig lang“. In den letzten fünf, sechs Jahren hat Frank viel mit den Chicks zusammengearbeitet. Vor allem im letzten halben Jahr haben sie und Murray-Leslie sich dabei immer wieder ähnliche Fragen gestellt: Wie könnte es anders gehen? Wie könnte die Welt anders ausschauen? Inspiriert von der feministischen Naturwissenschaftshistorikerin Donna J. Haraway fragen sie: „What if?“

Künstlerhaus wird zum Aquarium

„Was wäre, wenn es uns nicht mehr gäbe?“ ist denn auch die erste Frage, die die beiden mit ihrem audiovisuellen Stück behandeln. Das Foyer des Künstlerhauses im Grazer Stadtpark wird mit seinen großen Glasfronten für ihr Stück zum Aquarium oder Gewächshaus, in dem Moose, Farne und Bakterien zu wachsen beginnen – Organismen, die den Menschen überdauern könnten. In einer zweiten „Was wäre wenn“-Erzählung widmen sich die beiden Künstlerinnen dem Schlaf und dem Träumen (in einer Welt, in der nur der Arbeitende gelte und in der Franks eigene Studenten schon am Burn-out vorbeischrammen). Eine dritte wird zum Science-Fiction-Gedankenspiel: Was wäre, wenn die Welt in 10.000 Jahren wieder bevölkert wäre? Eine Art 15-minütiges „Technopopkulturopernstück“ nennt Frank das, was sie vorhaben. Sie selbst ist für die bewegten Bilder verantwortlich, Murray-Leslie für den Sound.

Immer schon computeraffin, hatte sich die Tullnerin Mitte der Neunziger nach der Ausbildung an der Grafischen früh selbstständig gemacht, für klassische Printprodukte, aber auch mit einer Internetagentur. Ihr Freund betrieb damals das elektronische Musiklabel Mego, Frank gestaltete u. a. Covers dafür. Als MTV sich bereiterklärte, die Musik auch zu spielen, brauchte man Videos – so, erinnert sich Frank, habe alles angefangen. In Wien habe man sich damals in einem „Konglomerat von Menschen bewegt, die Sachen einfach angegangen sind“. Es sei dieses „just do it“, das sie heute ihren Studenten näherzubringen versucht: „Ausprobieren, experimentieren, spielen, Fehler machen“, rät sie.

Unter Kollegen hatte Frank früh den Ruf, immer schon „sehr weit vorn“ zu sein, sehr digital. Wenn heute allerorten von Digitalisierung die Rede ist, dann amüsiert sie das. „Das ist für mich seit 25 Jahren Stand der Dinge.“ Und zwar im Wissen, dass Digitalisierung „auch kein Allheilmittel“ sei.

Schon seit einigen Jahren schlägt sie im Gegenteil vor, Dinge wieder analog zu machen. „Wir könnten uns auch auf Skype treffen“, sagt sie, die sich mit Künstlerkolleginnen sogar zu digitalen Jam-Sessions im Internet verabredet, über einem Espresso an ihrem Besprechungstisch. „Aber es wäre nicht dasselbe.“ Ja, Digitales sei großartig, aber nur mit einem analogen, haptischen Ausgleich. Algorithmen findet sie zwar praktisch, aber auch unmenschlich. „Eine Maschine kennt nur null und eins, aber kein schau ma mal.“

Zur Person

Tina Frank ist Grafikdesignerin und Professorin an der Kunstuniversität Linz. Mitte der Neunziger begann sie, für das Elektroniklabel Mego Cover zu gestalten, bald kamen Videos und Echtzeitimprovisationen mit ihren oft selbst am Computer gebauten visuellen „Instrumenten“ dazu. Der Taschen Verlag listet sie unter den wichtigsten Grafikdesignern für das 21. Jahrhundert. Ihre Performances werden weltweit bei Festivals gezeigt. Beim Klanglicht bespielt sie mit Alexandra Murray-Leslie (Chicks on Speed) das Künstlerhaus im Grazer Stadtpark.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2019)

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