Josef Polleros: Verrostete Kinosessel im Iran

Was von den Kinos übrig blieb: Josef Polleross hat sich auf die Suche nach den Überresten der Filmindustrie im Iran gemacht.
Was von den Kinos übrig blieb: Josef Polleross hat sich auf die Suche nach den Überresten der Filmindustrie im Iran gemacht. (c) Akos Burg
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Zwischen Zensur und Kreativität: Der Fotograf Josef Polleross hat über mehrere Jahre lang alte Kinos in der Islamischen Republik abgelichtet.

Es ist ein Saal, der selbst in Trümmern von einer großen Verheißung erzählt. Auf dem Boden liegen Schutt und Säcke, der Raum ist durchzogen von einer rieselnden Staubluft. Licht kommt allenfalls durch eine zufällig geöffnete Tür. Als Josef Polleross durch den von Brand und Verlassenheit verwüsteten Saal stapfte, entdeckte er noch alte Filmrollen am Boden. Die Reste der Verheißung: Filme aus Hollywood aus den 1960er- und 1970er-Jahren, die von einer grenzenlosen Freiheit erzählten. Polleross nahm einige Filmbänder an sich. Und er begann zu fotografieren.

Das erste Bild entstand 2015 in diesem imposanten, aber kaum belebten Bau auf der Lale-Zar-Straße im Zentrum Teherans. Eher zufällig kam Polleross in das Gebäude hinein, denn eigentlich befand er sich auf einem Spaziergang und weil Ramadan war, fand er an diesem Nachmittag auch kein offenes Restaurant. Bis aus dem Bau Menschen mit Essen herauskamen – und drinnen befand sich nicht nur ein kleines Lokal, sondern auch ein längst vergessenes Kino.

Immer wieder kam Polleross hierher zurück, um die Reste des Kinosaals fotografisch zu dokumentieren. Die Idee reifte weiter: Seither reist der Fotograf immer wieder in den Iran und sucht die Spuren jener Unterhaltungsform auf, die seit der Islamischen Revolution zeitweise verboten und in Verruf geraten ist. Denn für die neuen Machthaber in den 1980er-Jahren waren Kinos ein Instrument, um westlichen Einfluss in die Bevölkerung zu streuen, sagt Polleross. Erst im Laufe des Golfkriegs lockerte die Islamische Republik die strikte Kinopolitik leicht auf, um die Stimmung zu heben, und um ihrerseits Einfluss zu nehmen.

Juwelen und Brüche

Die Bilder von Polleross sind derzeit in der Wiener Galerie Hinterland zu besichtigen. Sie zeigen nicht nur die verlebten Unterhaltungstempel in der ehemals glamourösen Lale-Zar-Straße, wo es mehr als ein Dutzend Kinos gegeben hat; sie erzählen auch die Geschichte von einem Vater und seinem Sohn, die trotz aller Widrigkeiten ein Kino in Familienbesitz führen.

Sie zeigen architektonische Juwele im Bauhaus- und Art-déco-Stil, die oftmals nicht die Bewunderung und Pflege erhalten, die sie verdienen. Sie zeigen aufgelassene Kinos, in denen noch die Bilder von John Wayne und James Dean hängen, und die verrosteten Sitze, die kleinen Badewannen gleichen, von einem Sommerkino nahe der irakischen Grenze. Sie zeigen aber auch die Spuren der enorm kreativen Kinoszene von heute. Die zermürbende Zensur hat viele Filmschaffende neue Wege gehen lassen, die zeitgenössische Kinoszene im Iran gehört sicherlich zu den spannendsten – trotz aller Brüche, die sie in den vergangenen Jahrzehnten durchlebt hat. Sie ist zuweilen viel spontaner, authentischer, findet nicht in Filmstudios statt, sondern auf den Straßen.

Mit den aufgesammelten Filmrollen, seinen Bildern und Recherchen will Polleross ein Buch verwirklichen. Das Faszinierende an der iranischen Filmlandschaft sei, erzählt er, dass die Kinos gleichermaßen für die Revolution und die Modernisierung stehen. Die Dichotomie zwischen Zensur und Kunst. Als Künstler kam Polleross erstmals 2015 in den Iran, als Artist in Residence des österreichischen Kulturforums. Seitdem hat er nicht nur den Verfall der Kinos dokumentiert, sondern auch den Kampf der iranischen Frauen um ihren Platz in der Öffentlichkeit. „Für mich geht es nicht so sehr darum, alles zu fotografieren“, sagt Polleross, „sondern um die fotografische, künstlerische Umsetzung.“

Aufgewachsen im Waldviertel, startete Polleross seine fotojournalistische Karriere von New York aus, er lebte in Kairo und Bangkok, von hier aus bereiste und dokumentierte er unzählige Weltecken – bis er schließlich in der Lale-Zar landete.

Zur Person

Josef Polleross. Der Fotograf hat über mehrere Jahre lang alte Kinos im Iran fotografiert, von denen viele nach der Islamischen Revolution aufgelassen wurden. Die Bilder sind bis 18. Mai in der Wiener Galerie Hinterland zu sehen: Krongasse 20, 1050 Wien. art@hinterland.ag

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2019)

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