Bei der Vorschau auf den letzten Life Ball nahm der Trägerverein Stellung. Gery Keszler verspricht ein emotionales Ende mit Zirkus und Zauberer von Oz.
Eigentlich war alles wie immer, da im Untergeschoß des Hotel Le Meridien. Die überbordenden Sponsorenstände mit Flyern und Schnickschnack zum Mitnehmen waren schon in den letzten Jahren weniger geworden. Ein paar gibt es an diesem Montagvormittag freilich immer noch, ein Pharmakonzern bewirbt seine App, mit dem HIV-Betroffene ihren Alltag besser planen können, bunt gekleidete Mitarbeiterinnen einer Wiener Bäckerie verteilen Punschwürfel in allen Regenbogenfarben. Tom Neuwirth aka Conchita ist direkt vom Song Contest in Tel Aviv angereist.
Gleichzeitig ist natürlich nichts wie immer. Es ist das letzte Mal, dass Gery Keszler zur Pressekonferenz geladen hat; in Zukunft wird es den Life Ball nicht mehr geben. Wie es ihm geht? „Nach 27 Jahren spielen sich viele Emotionen ab“, antwortet der Ballchef auf die Frage von Moderatorin Sandra König. Und wie alles beim Life Ball ist nichts eindeutig, alles sowohl-als-auch. „Stolz und Demut“, sagt Keszler, würde er empfinden, „Freude und Trauer, Bestärkung und Enttäuschung, Liebe und Ablehnung“. Natürlich sei er „ein bissl gekränkt.“ Vor allem aber empfinde er „ganz, ganz viel Dankbarkeit. Die werde ich den Rest meines Lebens empfinden, und vielleicht noch in ein nächstes mitnehmen.“
„Normale Menschen, die haften“
Das vor eineinhalb Wochen bekannt gewordene Ende des Life Balls sei dabei „keine Entscheidung, sondern eine Entwicklung“ gewesen, betonte die Steuerberaterin Gabriele Hecht als Vertreterin des Trägervereins „Life +“. Eine Entwicklung, die mit der Pause des Life Ball 2016 begonnen habe, als trotzdem Gelder ausgeschüttet wurden, das habe Reserven aufgebraucht. Die Bälle 2017 und 2018 seien jeweils ein Kraftakt gewesen, gleich danach habe man sich zusammengesetzt und einen Businessplan erstellt, um das Event wieder zukunftsfit zu machen.
„Uns war schon zu diesem Zeitpunkt klar, dass wir das aus eigener Kraft nicht schaffen können, wir hätten Unterstützung gebraucht“, so Hecht. Man habe dies auch allen wesentlichen Interessensgruppen, allen voran der Stadt Wien, „sehr früh kommuniziert. Doch wir wurden nicht gehört oder nicht verstanden.“ Und: „Man hat offenbar geglaubt, dass der Life Ball ein unsinkbares Schiff ist. Aber hinter diesem großen Schiff steht ein kleines Team normaler Menschen, die persönlich haften.“ Eine Haftungserklärung in Höhe von 300.000 Euro sei von der Stadt zunächst angeboten, dann doch nicht gegeben worden. Dass die Stadt zu kursierenden „Horrorzahlen“ Stellung nehme, wünscht sich Keszler. Seit 2008 habe man eine Subvention in Höhe von 800.000 Euro erhalten, dazu heuer zusätzlich 100.000 Euro für dringend benötigte EDV-Infrastruktur.
Bedarf an Spenden und Aufklärung gebe es jedenfalls weiterhin, so der Tenor. Nach mehr als 30 Jahren sei im Kampf gegen Aids „eine gewisse Ermüdung eingetreten“, konstatierte Medizinerin Brigitte Schmied. Auch deshalb, weil die Therapie inzwischen „hervorragend“ sei. Nichtsdestotrotz handle es sich um eine schwerwiegende Erkrankung, der Informationsfluss an Bevölkerung und auch Mediziner sei „unheimlich schwierig“, die soziale Diskriminierung groß. So bekämen Betroffene oft etwa keine Jobs im Gastgewerbe, weil viele nicht wüssten, dass HIV-Positive heute bei guter Behandlung nicht ansteckend sind.
Genau deshalb sei kontinuierliche Therapie auch gesellschaftlich wichtig, warnte Wolfgang Wilhelm, Obmann der Aidshilfe Wien. Bisher habe man Gelder des Life Ball dazu verwendet, um Betroffenen die Medikamente während Versicherungslücken zu finanzieren. „Das können wir jetzt nicht mehr tun. Liebe Sponsoren, wir brauchen für diese Menschen Geld!“ so Wilhelm, der sich emotional für die Jahre der Unterstützung bedankte.
Aufgrund der Turbulenzen spät begonnen hat heuer auch die Planung für die Eröffnung, wegen des Ausfalls des Life Ball-Fliegers habe man einige Celebrities „mit besonders großen Entouragen“ abgesagt. In Kooperation mit Roncalli werde es ein Zirkuszelt als Bühne geben, in Schwarz-Weiß soll eine Gruppe von Freaks einziehen, die eine Begegnung mit dem Zauberer von Oz in eine bunte Welt jenseits des Regenbogens katapultiert. Tom Neuwirth gibt Zauberer und Zirkusdirektor, Dianne Brill, Warhol-Muse und „Mutter aller It-Girls“, eine Fee. Modisch werden bei der Solidarity Gala Missoni, später der gefeierte Newcomer Christian Cowan mitwirken. Keszler: „Wir arbeiten daran, dass es eine unvergessliche letzte Life Ball-Nacht wird.“
Auf einen Blick
Der Life Ball findet am 8. Juni zum 26. und letzten Mal statt. Das Motto „United in Diversity“ soll dabei auch zum Vermächtnis werden. Unmittelbar davor findet im Rathaus die Solidarity Gala mit Auktion statt. Das Konzert im Burgtheater, eine Tedx-Konferenz und der Life Ball Next Generation fielen dem Sparstift zum Opfer. Mitwirken werden u. a. Dita von Teese, Aura Dione, Kelly Osbourne, Tatjana Patitz, Sunnyi Melles, Lili Paul und Piotr Beczala.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2019)