Angewandte: „Diese Uni lebt und brodelt“

Kuratorin Lena Kohlmayr und Rektor Gerald Bast machen den Oskar-Kokoschka-Platz zum „Spielplatz“. Im Hintergrund: Der neue Virtual Reality-Dome.
Kuratorin Lena Kohlmayr und Rektor Gerald Bast machen den Oskar-Kokoschka-Platz zum „Spielplatz“. Im Hintergrund: Der neue Virtual Reality-Dome.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Die Angewandte lädt zum Ende des Studienjahrs erstmals zum Festival, öffnet ihre (neuen) Gebäude – und besetzt auch den Oskar-Kokoschka-Platz.

Am Dienstagvormittag, kurz nach elf, stieg im Büro des Rektors ein junger Mann in Unterhose in eine Holzkiste. Studenten belagerten den Eingang und löffelten in einer Wolke aus Suppengeruch Instantnudeln, über einen Fernseher liefen Bilder, entstanden im Rahmen einer Exkursion mit der Transsibirischen Eisenbahn, während die Sekretärinnen versuchten, ihrer Arbeit nachzugehen.

Dass das neue Festival der Angewandten mit einer Performance („Caviar on Instant Noodles“) im Rektorat begann, darf man durchaus symbolhaft verstehen. „Es bedeutet, dass wir das Leitmotiv der Öffnung ernst meinen“, sagt Lena Kohlmayr, die das neue Format für die Uni kuratiert hat. Öffnung, das bedeute, auch unbequem zu sein; und sei es, „weil der Rektor vorher aufräumen muss“. Dieser Rektor, Gerald Bast, steht inmitten seiner Studierenden, selbst eine Packung Nudeln in der Hand. Zu so einer Aktion gehöre Vertrauen, sagt er. „Aber so ist die Angewandte. Das ist wahrscheinlich das Geheimnis unseres Erfolgs.“

Das Studienjahr hatte die Universität bisher üblicherweise mit „The Essence“ beendet, einer Leistungsschau, die in Museen wie dem Mumok oder dem MAK gastierte. Das sei, sagt Bast, zwar auch immer beliebt gewesen, „aber mit der Eröffnung des neuen, großen Hauses wollten wir auch nach außen hin die Erneuerung zeigen.“ Wem bisher nur das große rote A des Angewandte-Logos auf dem Haus in der Vorderen Zollamtsstraße aufgefallen sein mag: Schon im Herbst hat die Uni dieses zusätzliche, kreativ umgebaute Gebäude, ursprünglich Zollamt, später Asylquartier, bezogen. Die letzte große Erweiterung war der 1962 eröffnete Zubau gewesen. Damals hatte die Uni 550 Studenten, heute sind es mehr als 1800.

„Kunst, die sich einmischt“

Beim „Angewandte Festival“ sollen nun deren Arbeiten der verschiedensten Klassen gezeigt werden – aber nicht nur. Zusätzlich gibt es nämlich ein eigenes Festivalprogramm, das von Studenten und Mitarbeitern gespeist wird. Die hausinterne Ausschreibung habe eine „unglaubliche Fülle“ an Beiträgen ergeben, so Bast. „Es ist schön zu sehen, wie diese Uni lebt und brodelt.“ Was hier produziert wird, sei „eine Art von Kunst, die sich einmischt“. Eine, die nicht nur in den üblichen Räumen der Kunst stattfindet, „sondern die sich in der Mitte der Gesellschaft positioniert und zu den Themen dieser Gesellschaft Stellung nimmt“. Das im Rahmen eines solchen Festivals zu zeigen, „das tut sonst keine Kunstuniversität in Österreich und nur wenige im Ausland.“

Dabei sei es wichtig, „gerade in Zeiten, in denen die Politik zeigt, dass sie nicht in der Lage ist, die vielfältigen Herausforderungen, auf die wir reagieren müssten, auch nur zu verstehen“. Künstler seien zwar vielleicht nicht die besseren Politiker, „aber Leute, die es gewohnt sind, anders, nicht linear, zu denken“. Dieses Denken könne man mit Kunst – auch als Betrachter – schulen.

Dass komplexen Problemen nicht mit einfachen Lösungen beizukommen ist, nimmt schon ein Werk draußen auf dem Vorplatz aufs Korn: Über eine stacheldrahtbewährte Mauer wird hier Pingpong gespielt. Der Oskar-Kokoschka-Platz wurde für die Tage eigens für den Verkehr gesperrt und fungiert als zentraler Treffpunkt. Ein Gewinn auch für das umliegende (Verwaltungs-)Viertel, findet der Rektor, der schon von einer verkehrsberuhigten Zone träumt.

Hier steht auch der nagelneue Dome, eine weiße Virtual Reality-Kuppel, die Fragen von Migration über Gentechnik bis Quantenphysik erlebbar machen soll. Eine körperliche, mitunter schwindelerregende Erfahrung – nicht nur, wenn man gerade durch den Magen einer Termite segelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.