Barbara Zeman: Hetscherlberg in Los Angeles

Barbara Zeman im Museumsquartier, wo sie morgen bei den O-Tönen liest.
Barbara Zeman im Museumsquartier, wo sie morgen bei den O-Tönen liest.(c) Akos Burg
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Barbara Zeman über ihr Debüt „Immerjahn“, das sie einige Kilo kostete, düstere Prognosen von Kollegen – und warum sie privat nicht zu Lesungen geht.

Es sei schon ein bisschen komisch, sagt Barbara Zeman. Vor zwei Jahren zum Beispiel, da sei sie viel mehr Autorin gewesen als jetzt, da sie erstmals als solche wahrgenommen wird. Damals war sie intensiv am Schreiben gewesen, hatte „den Felsen vor mir her gerollt“, ohne dass auch nur ihre Freunde eine genauere Vorstellung davon hatten, was sie da tat.

Nun ist „Immerjahn“ seit einem halben Jahr draußen, und das Interesse an ihr als Autorin ist groß, obwohl sie doch eigentlich höchstens ein bisschen für ihren neuen Roman recherchiert, der vollkommen anders werden soll als ihr Debüt. „Ich glaube, man kann mich als Autorin allein durch den Immerjahn überhaupt noch nicht einordnen.“

„Der Immerjahn“, sagt Zeman und meint dabei ihren Romanhelden, 52 Jahre alt, Zement-Erbe und Sammler. Ihm hat sie eine eigene Kunstsprache maßgeschneidert, die nicht die ihre ist, die vielmehr seinen unermesslichen Reichtum durchscheinen lassen soll. Der Sommer eignet sich gut dafür, über das Buch zu sprechen, es spielt in einem heißen August. Sie habe sich immer vorgestellt, dass das Buch im August erscheinen werde, sagt Zeman.

Geworden ist es Februar, und eigentlich trage sie im Winter gerne Röcke, aber weil sie auf Bühnen eingeladen wurde, kaufte sie sich Hosen, die dann sofort zu groß waren, so stark reagierte ihr Körper auf den Adrenalinrausch. „Wie extremes Verliebtsein“, beschreit sie den Zustand, in dem man nicht schlafen kann, keinen Hunger hat, dauernd hibbelig ist.

Glaslerin im B72

Heiß und träge ist hingegen die Atmosphäre in ihrem Roman. Gotthold Immerjahn hat sich dazu entschlossen, die Mies van der Rohe-Familienvilla in ein Museum umzuwandeln, kann sich aber zu nichts aufraffen. Handlung gibt es wenig, der Roman mäandert zwischen Zeiten und Kunstwerken, und auch wenn das natürlich bewusst so konstruiert ist (etwa als Kommentar zur digitalen Welt, in der man sich in Hyperlinks verliert), so spiegle das doch auch ihr Naturell, gibt Zeman zu.

Die Frau, der Sohn, der Malerfreund bleiben Trabanten, sie sind auch irgendwo in diesem Kosmos unterwegs, aber am Ende weiß man mehr über Immerjahns Inneneinrichtung als über seine Familie. Vorbild für den „Hagebuttenberg“, auf dem seine Villa liegt, ist der Eisenstädter Hetscherlberg, dessen Umgebung hat sie ein wenig „mit L.A. gekreuzt“, mit einer architektonischen „Zwischenstadt“ mit ihren Einkaufszentren und jenen Schornsteinen und Fabriken, die sie vor allem aus Osteuropa kennt. Früher seien ihre Eltern mit ihren Brüdern und ihr eher nach Krakau oder Brünn gefahren als in den Westen. Der Blick vom Eisenstädter Oberberg auf den Neusiedlersee mit seiner imaginären Trennlinie, „das war mein Horizont.“

Zum Studium nach Wien ging sie vor allem, weil sie „weg wollte aus Eisenstadt“. Sie arbeitete im Flex in der Garderobe und an der Bar, im B72 war sie „Glaslerin“, wurde dort auf das Magazin „Gap“ aufmerksam und so zur freien Journalistin. Über ihre Freunde lernte sie die Kunst kennen und auch den Hass der Künstler auf die Sammler. Auch Immerjahn liest seine kapitalismuskritischen Bücher nur bis zu dem Punkt, an dem man etwas ändern müsste. Wobei, geht das nicht allen so? Zu schreiben begann sie mit 25, jetzt ist sie 38. Sie dürfe sich nicht zu viel erwarten, hatte just ein junger Autor sie gewarnt – als Frau sei sie schon zu alt. Ihr Erfolg gibt ihm unrecht.

AM Donnerstag liest Zeman gemeinsam mit Clemens Setz bei den Ö-Tönen im Museumsquartier. Direkt vor der Lesung hat sie ein ORF-Interview, und fast ist sie froh darüber, „weil es mich ablenkt vor dem Sprung ins kalte Wasser“. Sie gehöre zu jenen Leuten, „die sich wahnsinnig überwinden müssen, sich vor Leute zu stellen. Ein großer Teil in mir will weglaufen.“ Schon in der Schule habe sie Angst vor Referaten gehabt. Montags („Physik, Mathe, Chemie, Turnen, Doppelstunde Gitarre“) war sie immer krank.

Wobei der Roman den Gedanken keimen ließ, dass sie Auftritte „auf eine seltsame Art und Weise auch mag.“ Privat bleibt sie Lesungen fern, zu sehr sei sie „sofort wieder im Schulmodus“ mit seinen Konzentrationsschwierigkeiten, „wo ich mir die Leute von hinten anschau. Wie haben sie ihre Haare gekämmt?“ Zu eigenen Lesungen bringt sie mit Sweet Sweet Moon eine Band mit. Im Bewusstsein, „dass ich keine Lesung machen kann, bei der ich selbst schon ausgestiegen wär“.

Zur Person

Barbara Zeman wurde 1981 in Eisenstadt geboren. Sie studierte Politik, Ethnologie und Publizistik, beendet hat sie Geschichte. Sie arbeitete in Flex, B72, später im Café Jelinek, schrieb für „The Gap“, „Falter“ und auch die „Presse“. 2012 gewann sie den Literaturpreis Wartholz. Morgen, Donnerstag, liest sie um 20.30 Uhr bei der Eröffnung der O-Töne im Museumsquartier aus ihrem Debüt „Immerjahn“, um 21 Uhr liest Clemens J. Setz. Jeden Donnerstag bis 29. August.

Web: www.o-toene.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2019)

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