Emilia Clarke: „Das Ende ist bittersüß“

Emilia Clarke meint, sie hätte auch alle Nackt- und Vergewaltigungsszenen heute wieder so gedreht.
Emilia Clarke meint, sie hätte auch alle Nackt- und Vergewaltigungsszenen heute wieder so gedreht. (c) imago/Runway Manhattan (OConnor)
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Schauspielerin Emilia Clarke über die Rolle der Daenerys in „Game of Thrones“ als das Bedeutsamste, das in ihrem Leben bisher passiert ist, über das anstehende Ende der Serie und die Angst, damit die Fans zu enttäuschen.

Ende Februar scheint ein ganzes Stockwerk des luxuriösen Corinthia Hotels nicht in London, sondern auf dem Kontinent Westero zu liegen. Zumindest dreht sich dort einen Tag lang alles um die inzwischen achte und endgültig letzte Staffel der Erfolgsserie „Game of Thrones“, die ab dem 15. April nun bei Sky & Sky Ticket zu sehen ist. Dutzende Journalisten aus der ganzen Welt und mindestens zwei Handvoll Stars des Fantasy-Epos drängen sich einen ganzen Tag lang für Interviews in engen Hotelzimmern, ohne dass allzu viel über den Inhalt der neuen Folgen verraten werden darf. Unter ihnen auch Emilia Clarke, die als Drachenlady Daenerys zu den absoluten Publikumslieblingen in „Game of Thrones“ gehört. Gut gelaunt stand die 32-jährige Britin Rede und Antwort.


Miss Clarke, die von Ihnen gespielte Daenerys gehörte immer zu den spannendsten Figuren in „Game of Thrones“. Was bedeutet Ihnen diese Figur aus Schauspielersicht?

Emilia Clarke: Ein größeres Geschenk als Daenerys und vor allem die Entwicklung, die sie durchmacht, kann ich mir nicht vorstellen. In den Jahren, in denen ich sie gespielt habe, gab es keinen Schauspielermuskel, den ich nicht anspannen und einsetzen musste, um es mal so auszudrücken. Ich glaube nicht, dass man im Laufe einer Karriere oft die Möglichkeit bekommt, das Publikum auf eine solche Reise mitzunehmen und daran teilhaben zu lassen, wie und warum sich eine Figur weiterentwickelt.


Verraten Sie uns, wohin die Reise nun in der achten Staffel geht, vor allem mit ihr?

Natürlich nicht. Aber ich war mindestens so neugierig wie Sie, das können Sie mir glauben. Wir bekommen immer alle Drehbücher einer Staffel auf einmal, als die für Staffel 8 kamen, habe ich sie sofort in einem Rutsch am gleichen Nachmittag gelesen. Danach musste ich erst einmal raus und bin drei Stunden ziellos durch London gelaufen. In den neuen Folgen passiert enorm viel, das musste ich erst einmal sacken lassen. Die Beziehung von Daenerys und Jon Snow ist sicherlich die komplexeste und zeitgemäßeste, die sie in der Serie je hatte. Die beiden sind sich unglaublich ähnlich und durch viel verbunden. Außerdem bringt er eine Ehrlichkeit in ihr zutage, die sie so noch nie erlebt hat. Ich kann gut verstehen, warum die Fans die Beziehung der beiden so interessant finden.


Die neue Staffel ist gleichzeitig auch die letzte. Waren Sie bereit für das Ende von „Game of Thrones“?

Sagen wir es so: ich bin ein großer Fan von Serien, die aufhören, solange das Publikum noch Lust auf mehr hat. Die Gefahr, so lange weiterzumachen, bis alle irgendwann die Begeisterung verloren haben, ist groß – und damit erweist man dann den Figuren und den Autoren einen Bärendienst. Von daher bin ich eigentlich ganz zufrieden mit dem Zeitpunkt, den wir für unseren Abschied gefunden haben.


Sie weinen Daenerys also keine Träne nach?

Das habe ich nicht gesagt. Im Gegenteil war es für mich, wie sicherlich für jeden einzelnen meiner Kolleginnen und Kollegen, eine unglaublich emotionale Angelegenheit, unsere Rollen hinter uns zu lassen. Schließlich haben wir zehn Jahre voller Erinnerungen und großer Momente hinter uns. So zufrieden ich bin, so bittersüß ist das Ende der Serie auch. Daenerys zu spielen war ohne Frage das Bedeutsamste, was in meinem Leben bislang passiert ist. Diese Rolle hat mich beim Erwachsenwerden begleitet.

Haben Sie sich als Mensch also durch diese Rolle verändert?

Absolut. Wie gesagt: Man kann mein Leben gar nicht losgelöst von Daenerys sehen. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo ich heute ohne sie wäre (lacht). Beim besten Willen: Ich kann einfach nicht sagen, wer und wo ich heute wäre, wenn ich die Rolle damals nicht bekommen hätte. Alles, was ich übers Leben und über diesen Beruf gelernt habe, habe ich getan, während Daenerys Teil meines Lebens war. Davor war ich ja praktisch noch ein Kind.


Aber hat die Figur selbst wirklich Spuren bei Ihnen hinterlassen?

Ich würde sagen, dass das manchmal eine „durch Schein zum Sein“-Situation war. Als Daenerys musste ich bisweilen Dinge tun, zu denen ich als Emilia eigentlich noch gar nicht bereit war. Vor 300 und mehr Komparsen zu stehen und eine Rede in einer Sprache zu halten, die es eigentlich gar nicht gibt – das verlangt echt Eier in der Hose. Und dank dieser Figur hatte ich die dann plötzlich auch. Ein anderes Mal musste ich buchstäblich durchs Feuer laufen. Dazu war ich eigentlich kein bisschen bereit, aber am Ende war ich stolz auf mich.


Wie denken Sie heute über die Nackt- und Vergewaltigungsszenen gleich zu Beginn der Serie?

Ach wissen Sie, ich habe immer den Eindruck, dass die Frage nach diesen Szenen eigentlich mehr darüber aussagt, was uns als Gesellschaft umtreibt, als dass sie wirklich mit der Serie zu tun hat. Im Fall von Daenerys ist es auf der Story-Ebene jedenfalls wirklich so, dass wir zu Beginn von „Game of Thrones“ sehen mussten, was sie durchgemacht hat, um mit ihr mitzufühlen. Sehen, nicht einfach nur erklärt bekommen. Deswegen würde ich alles davon noch einmal ganz genauso wieder drehen.

Lesen Sie manchmal im Internet, was Fans dort alles schreiben? Kaum eine Serie regt ja ihre Zuschauer offenbar zu so viel wilden Theorien und eigenen Geschichten an.

Ich weiß, aber ich lese nichts davon. Kein bisschen. Ich google niemals meinen eigenen Namen und lese nichts über die Serie. Ich brauche das nicht und habe nicht das Gefühl, dass das sonderlich gesund für meine geistige Verfassung ist. Wenn ich in einem Theaterstück oder einem Film mitspiele, gucke ich immer mal wieder in die Kritiken, wenn ich neugierig bin. Aber bei „Game of Thrones“ wird mir das viel zu viel. Ein paar der Fan-Theorien bekomme ich aber natürlich trotzdem mit, denn ich werde oft ganz direkt darauf angesprochen. Ob ich auch glaube, dass Daenerys eine Außerirdische sei, das wurde ich zum Beispiel sehr oft gefragt. Für mich war es aber in jedem Fall immer das Wichtigste, meine ganz eigenen Theorien zu entwickeln – und dann vollkommen überrascht zu werden, wenn ich in den Drehbüchern las, was wirklich Sache ist.


Was nun das Ende von „Game of Thrones“ angeht: Wie groß war die Angst, die Fans zu enttäuschen?

Diese Angst hatten wir alle die gesamte Serie über immer wieder. Schließlich waren es immer die Fans, die „Game of Thrones“ zu dem gemacht haben, was es war. Eine finale Staffel ist für jede Serie eine kniffelige Angelegenheit, zumindest kenne ich kein Beispiel, bei dem wirklich jeder einzelne Fan zufrieden war. Von daher stelle ich mich mal darauf ein, dass es auch in unserem Fall enttäuschte Zuschauer und hitzige Reaktionen geben wird.


Gerüchte über mögliche Spin-offs machen ja auch schon die Runde. Welche Figur würden Sie gerne in einer eigenen Serie sehen?

Puh ... Wie wäre es mit meinem Drachen? Würde ich mir auf jeden Fall ansehen (lacht)!

Steckbrief

Emilia Clarke wurde 1986 in London geboren. Ihr Interesse für Schauspielerei begann schon im Alter von drei Jahren. Nach Auftritten in Theaterstücken oder in der Seifenoper „Doctors“ gelang ihr mit der Rolle der Daenerys in der Fantasyserie „Game of Thrones“ der Durchbruch.
Außerdem übernahm Clarke im Science-Fiction-Film „Terminator: Genisys“ die Rolle der Sarah Connor. 2016 war Clarke im Film „Ein ganzes halbes Jahr“ nach einem Roman von Jojo Moyes zu sehen. 2018 spielte sie die weibliche Hauptrolle im Star-Wars-Anthologie-Film „Solo: A Star Wars Story“.

2015 wurde Emilia Clarke vom Männermagazin Esquire zur „Sexiest Woman Alive“ gekürt. Sie lebt heute in London und in Venice Beach, Los Angeles.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2019)

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