Entertainer Bill Cosby entgeht vorerst dem Gefängnis, da sich die Geschworenen im Missbrauchsprozess nicht einigen konnten. Die Staatsanwaltschaft will ihn 2018 wieder vor Gericht bringen - mit einer neuen Jury.
Washington. Am Ende stand schiere Erschöpfung: Auch nach mehr als 50 Stunden Beratung hinter verschlossenen Türen konnten sich die Geschworenen im Prozess gegen den US-Entertainer Bill Cosby nicht auf ein einstimmiges Votum einigen. Der fast 80-jährige Fernsehstar verließ deshalb am Wochenende als freier Mann den Gerichtssaal der Stadt Norristown im Bundesstaat Pennsylvania, wo er sich wegen sexuellen Missbrauchs verantworten musste. Doch es war kein strahlender Sieg für den Mann, der vielen Amerikanern bisher als sympathischer „Dr. Huxtable“ aus der „Cosby-Show“ in Erinnerung war.
Kurz nachdem der Vorsitzende Richter Steven O'Neill aufgrund der Uneinigkeit der Geschworenen den Prozess ohne Urteil beendet hatte, kündigte Staatsanwalt Kevin Steele ein neues Verfahren an. Steele will den fast erblindeten Cosby spätestens 2018 erneut vor Gericht bringen: Neue Geschworene sollen den TV-Helden dann zu einer Gefängnisstrafe verurteilen. Ob der Plan funktionieren wird, ist aber unklar.
In Norristown warf Steele dem TV-Star vor, als prominenter Unterstützer der Temple Universität in Pennsylvania im Jahr 2004 die damalige Basketballtrainerin Andrea Constand sexuell missbraucht zu haben. Constand sagte vor Gericht aus, Cosby habe ihr in seinem Haus drei Pillen „zum Entspannen“ gegeben – doch die Präparate lähmten sie, so dass sie sich nicht wehren konnte, als sich der Star im Laufe des Abends an ihr verging.
Neben Constand haben mehrere Dutzend weitere Frauen ähnliche Vorwürfe gegen Cosby erhoben. Die meisten dieser rund 60 Fälle sind längst verjährt, doch sie zeichnen das Bild eines Mannes, der seine Bekanntheit, seinen Einfluss und seinen Reichtum über Jahrzehnte hinweg ausnutzte, um seine sexuellen Fantasien an wehrlosen Frauen auszuleben. Constands Vorwürfe kamen vor Gericht, weil eine lange unter Verschluss gehaltene Aussage von Cosby aus dem Jahr 2005 vor zwei Jahren bekannt wurde und als neues Beweismittel galt.
In dem Protokoll, das in Norristown verlesen wurde, gab der Fernsehliebling zu, bei vielen außerehelichen Affären den jeweiligen Frauen immer wieder Beruhigungsmittel gegeben zu haben. Er und seine Verteidiger betonten dabei, alles sei stets im beiderseitigen Einvernehmen abgelaufen. Die Staatsanwaltschaft in Norristown konnte nicht alle Geschworenen vom Gegenteil überzeugen.
Doch der Blick vieler US-Bürger auf den Mann, der einst „America's Dad“ genannt wurde, hat sich grundlegend gewandelt. Schon vor dem Prozess musste Cosby eine Tournee absagen. Nach dem Verfahren sind öffentliche Auftritte des Entertainers kaum noch vorstellbar.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2017)