Hugh Bonneville: „Ich bin erst Mensch, dann Brite“

Film- und Seriendarsteller Hugh Bonneville isteiner jener Schauspieler, deren Gesichter man eher erkennt als ihre Namen.
Film- und Seriendarsteller Hugh Bonneville isteiner jener Schauspieler, deren Gesichter man eher erkennt als ihre Namen.(c) David Jensen / PA / picturedesk.com
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Bekannt wurde er als Hugh Grants Schwager in „Notting Hill“ und als Earl of Grantham in „Downton Abbey“. Nun spielt Hugh Bonneville in „Der Stern von Indien“ Lord Mountbatten, der Indien in die Unabhängigkeit entließ. Ein Land, mit dem der Schauspieler viel Gutes verbindet.

Als Hugh Grants Schwager in der Komödie „Notting Hill“ stellte er Julia Roberts die berühmte Frage, wie viel sie denn verdiene. Für seinen Earl of Grantham in „Downton Abbey“, den er seit 2010 verkörperte, wurde er mit einer Golden-Globe-Nominierung geehrt. Hugh Bonneville ist einer der Schauspieler, deren Gesichter man eher erkennt als ihre Namen. Ob Prinzregenten, Pfarrer, Psychiater oder Polizisten. 1997 war er als Luftwaffenoffizier im James-Bond-Thriller „007 – Der Morgen stirbt nie“ mit Pierce Brosnan zu sehen. Sein neuer Film, „Der Stern von Indien“, ist nicht nur seinetwegen, sondern auch wegen der faktischen Genauigkeit und politischen Ausgewogenheit sehenswert: Bonneville spielt den letzten Vizekönig Indiens, Lord Mountbatten, der 1947 nach Indien kommt, um die britische Kolonie in die Unabhängigkeit zu entlassen. Als sich Pakistan abspaltet, werden die Umstände jedoch dramatisch, und trotz Diplomatie, Mountbattens liberaler Gesinnung und seines persönlichen Einsatzes brechen schwere Unruhen aus.

Wie viel wussten Sie über Mountbatten, bevor Sie diese Rolle annahmen?

Hugh Bonneville: Wir haben in der Schule viel über die Kolonialgeschichte Großbritanniens gelernt, auch schon mit der Grundhaltung, dass unser Land sich nicht mit Ruhm bekleckert hat und wie brutal die Briten bei der Kolonialisierung Indiens vorgegangen sind. Earl Mountbatten war mir als letzter Vizekönig Indiens ein Begriff.

Was hatten Sie für ein Bild von ihm?

Mountbatten ist als Mitglied der Royal Family eine bekannte Persönlichkeit. Er hat die Queen mit ihrem Ehemann zusammengebracht, er war Prinz Philips Onkel. Für den jungen Prinz Charles war er ein wichtiger Vertrauter. Seine Familie hatte ihre Wurzeln in Deutschland, sein Vater wurde im Ersten Weltkrieg genötigt, die Adelstitel abzugeben und den deutschen Namen anzunehmen. Das nagte an der Familienehre, und Mountbatten wollte diesen „Makel“ durch seine Meriten wieder ausmerzen.

Was war für Sie der wichtigste Grund, bei diesem Film mitzumachen?

Ich war anfangs völlig dagegen. Aber Regisseurin Gurinder Chadha besuchte mich extra am „Downton“-Set, um mich umzustimmen. Ich habe ihr klarmachen wollen, dass sie es auf keinen Fall hinkriegen wird, mich äußerlich in Lord Mountbatten zu verwandeln – selbst wenn sie mir eine Fahrstuhltür ins Gesicht haut. Ich bin klein und eher rundgesichtig, er war groß und hager. Das war ihr aber egal. Sie meinte, Colin Firth sah auch nicht wie Henry VI. aus, doch sein Spiel sei faszinierend – das würde ich mit Mountbatten auch so hinkriegen. Mir gefiel, wie fair und ausgewogen das Skript hinsichtlich der drei Parteien war, die um Indiens Zukunft stritten.

Indien als Drehort hat Sie nicht geschreckt?

Ich habe eine der schönsten Reisen meines Lebens nach Indien gemacht, mit 18, als Rucksacktourist, und freute mich, wieder dorthinzukommen. Ich war damals völlig überrascht, dass die Inder der britischen Kultur so positiv gegenüberstehen – nach fast 300 Jahren Unterdrückung. Sie haben ja sogar unsere Bürokratie übernommen. Jeder, der in Indien mal ein Zugticket gekauft hat, weiß, wie umständlich das ist!

Was hat Sie mit 18 dazu bewogen, durch Indien zu reisen?

Ich wollte vor der Uni noch ein bisschen die Welt sehen. Ich hatte in einer Bar gearbeitet und mir so Geld dafür zusammengespart. Ich bin aber erst nach Kairo geflogen. Mein Vater hatte mir seine Kreditkarte sowie ein paar Adressen von Leuten, die er kannte, mitgegeben. Ich sagte: „Brauch ich nicht, ich bin 18, mir kann man nichts mehr vormachen!“

Mit 18 denkt man, alles über die Welt zu wissen, mit 40 wird dann klar, dass man keinen Schimmer hat. Wurde die Überheblichkeit der Jugend gedämpft?

Sofort. Mein Rucksack war in Kairo weg. Auf dem Flughafen versuchten mich mehrere Typen in eine Pension zu lotsen. Ich war völlig verunsichert, zückte dankbar die Kreditkarte meines Vaters, ging in ein ordentliches Hotel und meldete mich bei seinen Freunden. Ich habe da eine wichtige Lektion gelernt: dass es sich oft lohnt, auf die ältere Generation zu hören. Sie hat Erfahrung!

Ging Ihre Reise dann glückvoller weiter?

Ich bin durch Ägypten, den Sudan und Uganda gereist. Den Sudan fand ich besonders eindrucksvoll, aber man fühlte schon Spannungen zwischen Khartoum und Juba. Ein, zwei Jahre nach meiner Reise brach dann dort der Bürgerkrieg aus. Es ist herzzerreißend zu sehen, was er aus diesem schönen Land gemacht hat. Anschließend ging es in den Norden Indiens. Die Erinnerungen an diese fünf Monate sind noch bis heute in mir wach: die Bekanntschaften, Kulturen, Religionen, Ansichten, Geräusche und Gerüche.

Mit welchem Gefühl reisten Sie vor zwei Jahren dann zum ersten Mal nach über 30 Jahren wieder zurück nach Indien?

Ich war richtig nervös, weil ich befürchtete, ich könnte das Land in der Erinnerung romantisiert haben. Doch es war wunderbar. Ich bin wieder in diese Kultur eingetaucht – sogar noch intensiver als noch vor 30 Jahren. Ich liebe Indien und seine Gegensätze. Jede indische Stadt wirkt chaotisch: mit den heiligen Kühen auf den Straßen, den überfrachteten Motorrädern, dem ständige Hupen, alles ist in Bewegung . . . und das ohne Unfälle!

Wie funktioniert das?

Wie in einem riesigen Ameisenhaufen: Jeder schafft es irgendwie, da anzukommen, wo er hinwill, weil alle aneinander vorbeirauschen und sich tolerant verhalten. In England ist der Straßenverkehr viel aggressiver – trotz Ampeln und Kameras. Allein das zeigt den großen Unterschied zwischen den Kulturen: In Indien baut man keinen Druck auf, geht seiner Wege und lässt den anderen auch ziehen. In England beansprucht man seine Rechte nach links, rechts und geradeaus. Da muss alles nach unserem Willen gehen, oder es läuft gar nichts.

Wie britisch fühlen Sie sich eigentlich?

Ich bin erst mal ein Mensch, dann ein Brite. Ich habe mich schon immer für andere Kulturen interessiert und fühle mich nicht typisch britisch. Nach 40 Jahren Europazugehörigkeit sehe ich mich auch eher als Europäer. Nach dem Brexit soll ich plötzlich wieder vor allem Brite sein . . . Das führt bei mir zu kultureller Verwirrung!

Woher kam Ihr Drang, auf die Bühne zu gehen?

Keine Ahnung: Mein Vater war Arzt, meine Mutter Krankenschwester und später Hausfrau. Beide aber liebten die Kultur. Sie gingen oft in die Oper und zu Konzerten und Ausstellungen. Ihr Größtes waren Ausflüge zu den Landsitzen der Adligen – ich hasste es. Und sie liebten das Theater. Sie haben uns Kinder von klein auf mitgenommen. Das hat mich wohl infiziert.

Erinnern Sie sich an ein Stück, das Sie besonders in den Bann zog?

„Die Schatzinsel“ hat mich sehr beeindruckt, ich hatte furchtbar Angst vor Long John Silver. Ich saß in der dritten Reihe und war mir sehr bewusst, dass ich in einem Theater war. Aber dass die Aufführung mich so mitgehen ließ, obwohl alles nur gespielt und nicht echt war, fand ich aufregend. Ab dann schrieb ich eigene Stückchen und spielte auch. Ich habe mir da noch nicht vorstellen können, dass ich damit je mein Geld verdienen könnte.

Können Sie mit 53 sagen, dass Sie etwas in Ihrem Leben besonders bereut haben?

Dass ich nicht ernsthafter studiert habe. Ich habe Theologie in Cambridge studiert und war ein lausiger Student, obwohl ich mein Fach sehr mochte. Meine Hauptinteressen waren damals aber Theaterauftritte und Partys. Jetzt würde ich das Studium viel ernsthafter betreiben.

Steckbrief

Hugh Bonneville (geb. 1963) spielte in zahlreichen Filmen („Notting Hill“, „Iris“, „007 – Der Morgen stirbt nie“) und TV-Serien („Downton Abbey“, „Doctor Who“). Der Brite war unter anderem für einen Golden Globe und einen Emmy nominiert.

Aktueller Film: „Der Stern von Indien“ erzählt die Geschichte von Lord Mountbatten, der 1947 vom britischen König den Auftrag bekam, Indien reibungslos in die Unabhängigkeit zu führen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2017)

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