Anthropologie: Go east, Neandertaler!

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Laut DNA-Analysen kam die vor ca. 30.000 Jahren ausgestorbene Menschenart zumindest bis Sibirien, womöglich bis China.

Homo sapiens kam aus Afrika, aber der Neandertaler entstandvor etwa 200.000 Jahren in Europa, in Anpassung an das schwere, kalte, gefährliche Leben in der Eiszeit. Hier lebte er, bis er vor ca. 30.000 Jahren ausstarb und den „modernen Menschen“ das Feld überließ, sei's verdrängt, sei's erschlagen. Deren Nachfahren benannten ihn nach einem Tal bei Düsseldorf.

Blieb er auch in Europa? Ein in den späten Dreißigerjahren in Usbekistan (im Gebirgsort Teshik Tash) gefundenes, nicht datierbares Kinderskelett markierte für die Anthropologen bisher die östliche Grenze des Verbreitungsgebiets der Neandertaler.

Man hat allerdings 2000 Kilometer weiter östlich, im sibirischen Okladnikow im Altai (Hochgebirge, das sich bis nach China erstreckt), menschliche Reste, datiert auf ein Alter von ca. 40.000 Jahren, gefunden, gemeinsam mit Werkstücken der Mousterian-Technologie, die an sich als typisch für Neandertaler gilt, aber mancherorts auch von Homo sapiens praktiziert wurde. Auch die Anatomie der Knochen erlaubte keine eindeutige Zuordnung, erklärt Bence Viola (Uni Wien), der sie analysiert hat. „Ein Fingerglied spricht dafür, dass das kein moderner Mensch ist, aber man kann nicht von ,klassischen Neandertaler-Merkmalen‘ sprechen. Die sind ja zumeist aus Funden in Westeuropa abgeleitet, und man kann auch bei Neandertalern geografische Variationen in der Anatomie annehmen.“

Ein Fall also für die Genetik. Und damit für Svante Pääbo (Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig), der darauf hinarbeitet, das Neandertaler-Genom möglichst vollständig zu lesen. Die Technik, die (viel häufigere) mitrochondriale DNA (mtDNA, das ist DNA, die nicht im Zellkern, sondern in Zell-Organellen namens Mitochondrien sitzt) zu isolieren, hat er bereits ziemlich perfektioniert.

In Nature (1.10.) berichtet ein Team um Pääbo nun über den Vergleich von mtDNA der Knochen aus Teshik Tash und Okladnikow. Das Ergebnis ist, so Viola (der unter den Autoren ist), „erstaunlich klar“. Die mtDNA-Charakteristika sind sehr ähnlich; somit fallen die Funde aus dem Altai eindeutig in die Art Neandertaler. Vielleicht fand diese in Asien wie in Europa ihre letzten Rückzugsgebiete im Gebirge. tk

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2007)

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