Wie antisoziales Verhalten entsteht

antisoziales Verhalten entsteht
antisoziales Verhalten entsteht(c) AP (HERIBERT PROEPPER)
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Wiener Forscherinnen zeigen, dass Verarbeitungsprozesse im Gehirn bei Frauen mit antisozialer Persönlichkeitanders ablaufen als bei sozialen: Die Aufmerksamkeit für soziale Reize ist reduziert.

„Ich habe bereits wiederholt andere Menschen getäuscht, betrogen oder hereingelegt, um mir persönliche Vorteile zu verschaffen.“ Oder: „Ich gebe nicht besonders viel auf die Gefühle oder etwaiges Leiden anderer.“ Dies sind Beispiele aus einem Online-Selbsttest für psychologische Störungen, u.a. kann man damit herausfinden, ob man eine antisoziale Persönlichkeitsstörung hat. Diese Form der Psychopathie führt bei Betroffenen dazu, dass sie rücksichts- und verantwortungslos sind, sich nicht an soziale Normen halten und weder Reue noch Schuldgefühle kennen.

Diese Eigenschaften findet man häufig bei Straftätern, doch auch manche sonst unauffällige Durchschnittsmenschen neigen zu antisozialem Verhalten. Psychologinnen der Uni Wien und Med-Uni Wien haben an 28 Frauen grundlegende, neurologische Unterschiede zwischen Sozialem und Antisozialem gesucht. Die Studie war auf Frauen begrenzt, obwohl diese psychische Störung häufiger bei Männern zu finden ist – die aber schon besser erforscht sind. „Die Ursachen für antisoziales Verhalten sind bei Männern und Frauen wahrscheinlich unterschiedlich“, sagt Studienleiterin Daniela Pfabigan, Neurowissenschaftlerin der Uni Wien.

Im Experiment füllten die Probandinnen vorab einen psychologischen Selbsttest aus, die Antworten zeigten die Tendenz zum antisozialen Verhalten. Anschließend nahmen die Frauen an einem fiktiven Gewinnspiel teil: Für richtig beantwortete Fragen leuchtete ein glückliches Gesicht am Bildschirm auf, bei falschen Antworten ein ärgerliches. Zugleich waren die Testpersonen am Kopf verkabelt: EEG-Messungen zeigten, wie der Input des lachenden oder ärgerlichen Gesichts verarbeitet wurde. „Im Verhalten unterschieden sich die antisozialen Personen nicht von den anderen“, so Pfabigan. Doch in einer vermutlich unbewussten Verarbeitungsebene, hundert Millisekunden nach dem Betrachten der Fotos, waren bestimmte Komponenten im EEG bei der antisozialen Gruppe viel schwächer ausgeprägt. Diese Komponenten stehen mit der Aufmerksamkeit für soziale Reize in Verbindung: Die Antisozialen schenkten den Emotionen der Gesichter kurz nach dem Betrachten weniger Aufmerksamkeit.

Frühere Studien belegen, dass es antisozialen Menschen gar nicht möglich ist, Gefühle wie Angst im Gesicht von anderen zu erkennen. Hier wurde nun mit den Emotionen Freude und Ärger gearbeitet, da diese von sozialen und antisozialen Menschen gleich gut unterschieden werden. Diese – und weitere Ergebnisse – können Basis für neue Therapien von Menschen mit antisozialen Störungen sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2012)

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