Wurde die Sprache aus dem „Schmatzen“ der Affen geboren?

(c) Asif Ghazanfar
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Hirnforschung. Eine Hypothese leitet unser Sprechen von den Mundbewegungen her, die viele Primaten zur Kommunikation einsetzen. Nun kommt ein Indiz dafür, dass die Vermutung stimmt: Auf den Rhythmus dieser Bewegungen hören bzw. schauen nicht nur wir, schon Makaken tun es.

Woher haben wir unsere Sprache bzw. das Vermögen, mit ihr umzugehen? Fiel sie durch eine Genmutation als universelle Grammatik gewissermaßen aus dem Himmel der Evolution, wie Noam Chomsky vermutete? Das war vor 60 Jahren, und lange war es ein Dogma, inzwischen ist es erodiert, selbst Chomsky ist ein Stück weit abgerückt: Die universelle angeborene Grammatik gibt es eher nicht.

Aber etwas anderes haben alle Sprachen bzw. ihre Sprecher gemeinsam: Geredet wird in Rhythmen, und die haben eine bevorzugte Frequenz, sechs bis acht Hertz, sie kommt von dem Apparat, der die Silben verfertigt, vor allem vom Unterkiefer, dann moduliert von Zunge und Lippen. Darin sah seit den 70er-Jahren Peter MacNeilage den Kern und Ursprung der Sprache, er grenzte sich von Chomsky ab, aber auch von Forschern, die auf andere Körperbewegungen als Geburtshelfer der Sprache setzten, auf Gesten der Hand.

Der Rhythmus des Redens...

Für MacNeilage kam alles mit der Bewegung des Munds, und die haben viele Primaten: Sie brachten demnach die Sprache auf den Weg. Das findet nun Bestätigung durch Asif Ghazanfar, einen Hirnforscher in Princeton, der die Rhythmik des Sprechens erkundet – und die ihres Gegenstücks, des Hörens. Auch das ist auf einen Frequenzbereich spezialisiert – wenn einer zu rasch schnoddert oder zu schleppend phrasiert, verstehen wir ihn schwer –, es ist der gleiche, sechs bis acht Hertz. In diesem Rhythmus schwingt die für das Hören zuständige Region im Gehirn, andere tun es auch, etwa die des Sehens: Wir hören Sprache nicht nur, wir schauen anderen auch auf den Mund, vor allem wenn wir uns als Kinder einlernen.

Offenbar hat sich die Wahrnehmung auf das Wahrzunehmende eingestellt, es ist auch in anderen Bereichen so, wir filtern wichtige Information aus der Umwelt, indem wir uns danach richten, wie diese Information kommt. Und so halten nicht nur wir es: Auch andere bewegen den Unterkiefer auf und ab, und zwar nicht nur beim Abbeißen und Kauen, sondern auch beim „Schmatzen“. Viele Affen tun das, tonlos, manchmal sind die Lippen geöffnet, manchmal geschlossen. In jedem Fall dient es der Kommunikation, man kann es etwa bei Schimpansen beobachten oder auch bei Makaken.

Mit ihnen arbeitet Ghazanfar, an ihnen hat er früher schon erhoben, dass ihr „Schmatzen“ dem gleichen Rhythmus folgt wie unser Sprechen, sechs bis acht Hertz. Aber kommt das Signal beim Empfänger auch an? Bei uns kann man es einfach testen, man braucht nur einen, der redet, und einen, der zuhört/sieht. Aber Makaken kann man ja nicht im Experiment darum bitten, zu „schmatzen“!

...ist auch der von Hören/Sehen

Deshalb hat Ghazanfar künstliche Affen gebaut, Avatare wie in den Spielen der virtuellen Welten. Die „schmatzen“ auf PC-Schirmen, in zwei Typen und drei Frequenzen, drei, sechs und zehn Hertz. Gezeigt wurden sie echten Makaken, und die hatten nun viele Möglichkeiten: Sie hätten sich überhaupt nicht für die Avatare interessieren können – sie nicht als ihresgleichen erkennen –, oder sich hätten sich für unterschiedliche Frequenzen unterschiedlich interessieren können, oder auch für alle gleich.

Sie interessierten sich für die sechs Hertz, darauf verweilten ihre Augen länger – das „Schmatzen“ der Avatare war so geräuschlos wie das in der Natur (Pnas, 14.1.). Die Botschaft des „Schmatzens“ kommt also an. Oder ist das eine Täuschung? Das Interesse für die mit sechs Hertz auf- und zuklappenden Münder könnte natürlich auch daher kommen, dass die Makaken nur am Rhythmus Interesse zeigen und die Avatare doch nicht als ihresgleichen erkennen. Aber so ist es nicht. Bei wild lebenden Makaken wird ein „Schmatzen“ oft mit einem Gegenschmatzen beantwortet, und im Experiment war es bei der Hälfte der Tiere auch so.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2013)

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