Warum Hunde Kuchen mögen

(c) REUTERS (ALI HASHISHO)
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Als die Menschen sesshafte Landwirte wurden und ihren Hausmüll auf Deponien trugen, bedienten sich dort Wölfe und domestizierten sich zu Hunden.

Wann, wo, wie und warum wurden manche Wölfe zu Hunden? Die ältesten Spuren deuten nach Sibirien, in den Altai vor 33.000 Jahren. Aber das ist wenig gesichert, eine deutlichere Sprache sprechen Gräber in Israel, in die vor 12.000 bis 10.000 Jahren Menschen und Hunde gemeinsam gebettet wurden. Aber wozu hatten sie sich zusammengetan? Hatten Menschen ganz junge Wölfe eingefangen und über Generationen die verträglichsten ausgewählt, um sie als Gehilfen zu nutzen, bei der Jagd, zum Bewachen der Habe und Herden?

So stellte man sich das lange vor, aber 2001 hatte Raymond Coppinger (Hampshire College) eine andere Idee. Ihr zufolge kam nicht der Mensch auf den Wolf bzw. Hund, sondern der kam auf ihn, und zwar zu der Zeit, in der Menschen die Agrikultur erfanden und sesshaft wurden – und ihren Hausmüll deponieren mussten, die Essensreste, abgenagte Knochen, altes Brot etc. „Der Müll zog Aasfresser an“, erklärte Coppinger: „Kakerlaken, Tauben, Ratten – und Wölfe.“ Die nahmen nicht nur das Fleisch, sondern auch stärkehaltige Essensreste, und sie domestizierten sich selbst zu Hunden: Bei den Müllhalden blieben in jeder Generation die, die die geringste Fluchtdistanz zu Menschen hielten und endlich zutraulich wurden.

Physiognomisch dem Menschen ähnlich...

Und physiognomisch dem Menschen ähnlicher, dem ganz kleinen: Die Schnauzen wurden kurz, die Gesichter rund, das ist ein generelles Phänomen der Domestizierung, Konrad Lorenz nannte es „Kindchenschema“. Das funktioniert sogar in der Kultur, die ersten Teddybären sahen aus wie Grizzlybären. Und es zeigte sich etwa in einem Experiment, das in den 50er-Jahren in der Sowjetunion begann: Man domestizierte Füchse. Nach 35 Generationen war das Werk getan, die Tiere waren zutraulich und hatten runde Gesichter. Wie es weiterging, weiß man zumindest im Westen nicht, nach dem Ende der Sowjetunion ging das Geld aus, viele Füchse mussten verkauft werden – Pelze! –, in kleinem Rahmen soll das Experiment noch laufen, man hat lange nichts gehört.

Wie auch immer, Coppingers Hypothese passte gut zu den Funden in Israel: In der Region fand vor etwa 11.000 Jahren die neolithische Revolution statt, aus Jägern und Sammlern wurden sesshafte Bauern. Aber wie soll man prüfen, ob die Wölfe/Hunde sich wirklich vom Hausmüll nährten? Durch einen Genomvergleich von Wölfen und Hunden! Erik Axelsson (Uppsala) hat ihn unternommen – an zwölf Wölfen aus aller Welt und 60 Hunden von 14 Rassen –, er hat 36 Regionen gefunden, die sich durch die Domestizierung verändert haben: 19 haben mit dem Gehirn zu tun, zwei mit dem Sperma – es bindet bei Hunden stärker an die Eizelle, offenbar gibt es bei ihnen eine stärkere Konkurrenz – und zehn mit dem Stoffwechsel. Drei davon endlich halfen, eine neue Futterquelle zu erschließen: Stärke.

Die wird in drei Schritten verdaut, erst wird sie durch Amylase in Maltose umgebaut, dann durch ein anderes Enzym in Glukose umgewandelt, und die muss schließlich mit einem Transport-Protein durch die Zellmembran. Alle dabei mitspielenden Gene liegen bei Hunden in höheren Zahlen vor und bringen entsprechend stärkere Aktivitäten, Amylase etwa produzieren sie 28 Mal so viel wie Wölfe (Nature, 23.1.). „Das deutet darauf, dass eine neue ökologische Nische den Prozess der Domestikation vorangetrieben hat“, schließt Axelsson, „und diese Nische war der Müll, der mit den menschlichen Siedlungen kam.“

„Das ist eine spannende Arbeit“, kommentiert Verhaltensforscher Kurt Kotrschal, der in Ernstbrunn mit Hunden und halbzahmen Wölfen arbeitet, „eine bessere Stärkeverdauung ist ja erst sinnvoll, wenn die Menschen Stärke produzieren.“ Zwar knabbern auch die Ernstbrunner Wölfe „gelegentlich gerne an Pizzarändern“, aber so weit umgestellt wie die Hunde hat sich außer ihnen nur einer: der Mensch. Wer sich überwiegend von Getreide ernährt, hat viel mehr Gene für Amylase als einer, dessen Nahrung hauptsächlich aus Fisch besteht, das hat George Perry (Arizona State University) in Genvergleichen heutiger ethnischer Gruppen gezeigt (Nature Genetics, 9.9.2007).

...und genetisch auch

Vermutlich kam der Wandel bei uns viel früher als bei unseren besten Freunden, und bei uns ist er auch viel stärker, wir haben Amylase schon in der Spucke, sie erst im Darm. Trotzdem können auch sie weithin auf Stärke umstellen, wie Kotrschal erinnert: „Die bernhardinerartigen Zughunde, mit denen Bäuerinnen aus dem Mühlviertel noch vor zwei Generationen ihre Waren auf den Markt nach Linz brachten, wurden fast ausschließlich mit Grießknödeln ernährt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2013)

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