Ein Wimpernschlag genügt

Wimpernschlag genuegt
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Sogenannte assistierende Technologien nutzen die Restmobilität von körperlich eingeschränkten Personen zur Steuerung ihrer Umgebung.

Die Teilhabe an der Informationsgesellschaft wird Menschen mit körperlichen Einschränkungen schon seit einigen Jahren durch assistierende Technologien erleichtert – durch sie lassen sich zahlreiche Barrieren überwinden. Für viele Menschen reichen standardisierte Lösungen völlig aus, andere brauchten hingegen etwas, das an ihre individuellen motorischen Fähigkeiten angepasst ist. In einem EU-Projekt unter österreichischer Leitung wurde nun ein modulares System entwickelt, das selbst kleinste Bewegungen wie ein Blinzeln oder minimale Muskelaktivität nutzt, um computerbasierte Geräte wie Fernseher, Spielkonsolen oder Gebäudeautomatisierung zu bedienen.

„Wir wollten etwas entwickeln, das sich im Gegensatz zu assistierenden Technologien ,von der Stange‘ an individuelle Fähigkeiten anpassen lässt, leicht konfigurierbar und gut zu kombinieren ist“, erläutert der technische Projektleiter Christoph Veigl vom Institut für Embedded Systems der FHTechnikum Wien. Gemeinsam mit dem österreichischen „Kompetenznetzwerk Informationstechnologie zur Förderung der Integration von Menschen mit Behinderungen“ (KI-I) wurde das Forschungsprojekt „Assistive Technology Rapid Integration and Construction Set“ (Asterics) initiiert. Dem mit 3,4 Mio. Euro budgetierten Projekt schlossen sich Partner aus sechs weiteren europäischen Ländern an. In dreijähriger Arbeit wurde in einem „User-centered design“-Ansatz – also unter ständiger Einbindung von Nutzern – ein Baukastensystem aus Software- und Hardwarekomponenten entwickelt, die nach Bedarf kombiniert werden können. „Das ist auch für die Weiterentwicklung von Vorteil“, sagt Peter Balog, Leiter des Instituts für Embedded Systems. Inzwischen gibt es 120 Softwarekomponenten, wovon der Großteil laut Veigl am Institut für Embedded Systems entwickelt worden ist.

Zahlreiche Usertests in Österreich, Spanien und Polen zeigten, wie und wofür man das Asterics-System einsetzen könnte. Verwendbar ist das System z.B. bei Personen, die sich durch Blinzeln verständigen können. Die Asterics-Embedded-Platform ist ein kleiner Spezialcomputer, der zum einen an einen PC angeschlossen werden kann, zum anderen aber auch Anschlussmöglichkeiten für zahlreiche Sensoren hat – etwa Beschleunigungsmessgeräte, ein „Smart Vision“-System (das z.B. Bewegungen der Nutzer registriert) oder elektrophysiologische Sensoren zur Aufzeichnung von Hirnströmen (EEG), -magnetfeldern (EMG) oder Augenbewegungen (EOG).


Mensch und Maschine vernetzt. Bei einem der Tests wurde das Asterics-System mit einem LCD-Monitor und einer Webcam kombiniert, wodurch ein Fernseher via Wimpernschlag bedient werden konnte. Auch die Benützung einer Spielkonsole wird durch das Baukastensystem barrierefrei: Dabei ersetzt ein sogenannter HID-Actuator („Human Interface Device“), der nicht größer als ein USB-Stick ist, den Joystick und wird direkt an die Spielkonsole gesteckt. Der HID-Actuator vereint drei Module – Maus, Keyboard, Joystick –, das Asterics-System wird mittels Restmobilität angesteuert. Tests zeigten, dass dadurch selbst kleinste Muskelaktivitäten und Gehirnwellenmuster genutzt werden können, um etwa ein Modellflugzeug vom Rollstuhl aus zu lenken.

Seit dem Vorjahr steht die komplette Software als kostenloser Download zur Verfügung, für den Großteil ist auch der Quelltext als Open Source zugänglich (www.asterics.eu). Für viele Funktionen sind allerdings zusätzliche Hardwaremodule notwendig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2013)

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