Das Werfen, ein großer Wurf der Evolution

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Symbolbild(c) REUTERS (MOHAMAD TOROKMAN)
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Als der Mensch sich auf zwei Beine erhob, konnte er seinen Körper so umbauen, dass eine neue Jagdweise möglich wurde.

Die Wucht des ganzen Körpers in einen Wurf zu legen, das kann nur der Mensch, Darwin wies darauf hin, als er über die Vorteile des aufrechten Gangs und der dadurch befreiten vorderen Gliedmaßen nachdachte. Die wurden nicht mehr zur Fortbewegung gebraucht – ob nun auf ebener Erde oder im Geäst –, sie konnten sich anderem zuwenden, dem Gebrauch von Werkzeugen und Waffen, insbesondere denen der Jagd: Aus der erhobenen Position kann man Projektile weit und exakt gezielt werfen. Aber nach Darwin geriet es in Vergessenheit.

Wer wirft auch heute noch etwas? Gejagt wird mit Schusswaffen oder Pfeil und Bogen, auch Kriege werden damit ausgefochten. Nur wenige trainieren werfen – Sportler –, und nur einer Untergruppe geht es um harte und zielgenaue Würfe, Baseballspielern etwa, jede US-Uni hält sich ein Team, auch Harvard, wo der Evolutionsbiologe Neil Roach arbeitet. Er rekrutierte hauseigene Kräfte, um die Feinheiten des Werfens zu erkunden. Aber erst kam eine Vergleichsgruppe: Schimpansen, sie gehören zu den wenigen, die auch manchmal etwas werfen. Aber was! Fäkalien oft! Und wie! Meist mit der von unten nach oben geführten Hand, selten von oben über die Schulter, und wenn, dann so wie Dartspieler oder Cricketspieler, bei beiden spielen/werfen nur Teile des Körpers mit. Das bringt Zielgenauigkeit, aber nicht einmal die haben Schimpansen, sie wollen ja auch nichts treffen, sie jagen nicht mit Projektilen.

Rascheste Bewegung des Körpers

Und Kraft haben sie –  die alles in allem viel kräftiger sind als wir – auch nicht in ihrem Wurf, mit maximal 32 Kilometer pro Stunde können sie etwas schleudern, das ist ein Drittel dessen, was ein zwölfjähriger Baseballspieler kann. Das liegt vor allem an zwei Innovationen, an der Beweglichkeit unseres Oberkörpers, der frei über der Hüfte rotiert, und an der Konstruktion unserer Schulter, deren Muskeln beim Ausholen viel Energie speichern und sie dann rasch freisetzen: „Die Beschleunigung des Arms nach vorn ist die rascheste Bewegung, die der menschliche Körper produziert“, berichtet Roach (Nature, 498, S. 483). Natürlich wurde auch anderes umgebaut – alles von den Zehen aufwärts wirkt bei der Wucht des Wurfes mit –, und das alles geschah nicht gleichzeitig und sicher nicht zur Entwicklung dieser einen Fertigkeit.

Aber vor etwa 1,9 Millionen Jahren war alles da, und es wird kein Zufall sein, dass zur gleichen Zeit Homo erectus in unserer Ahnenreihe auftauchte. Er vergrößerte das Gehirn stark – von 450 Kubikzentimeter auf 1000, wir haben um die 1200 –, dabei mag ihm Fleisch von Beute geholfen haben, die er mit gezielten Würfen attackierte, zunächst wohl mit Steinen und Ästen, steinerne Speerspitzen kamen erst später.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2013)

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