Wie alte Kontakte einen neuen Standort schufen

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Die Wiener Zeithistorikerin Maria Wirth hat die Entstehung und Entwicklung des Campus Vienna Biocenters in einer Studie minuziös nachgezeichnet. Eine denkwürdige Geschichte.

Von nichts kommt nichts – und wo Tauben sind, da fliegen Tauben zu: zwei Stehsätze, die die Geschichte des Vienna Biocenters (VBC) in der Dr.-Bohr-Gasse im dritten Wiener Gemeindebezirk gut charakterisieren. Österreich war bekanntlich bei der Genforschung und Biotechnologie ein Nachzügler – abgesehen von Pionieren wie Hans Tuppy (Uni Wien) oder Hermann Katinger (Boku). Erst Mitte der 1980er-Jahre begann sich das zu ändern. Und der Anstoß dazu kam von außen, wie man in dem diese Woche präsentierten Buch „Der Campus Vienna Biocenter“ (178 S., 26,90 €, Studien-Verlag) nachlesen kann, in dem die Zeithistorikerin Maria Wirth minuziös die Geschichte des wichtigsten Biotech-Standorts Österreichs nachzeichnet.

Der deutsche Pharmakonzern Boehringer Ingelheim wollte damals mit der US-Biotech-Firma Genentech ein gemeinsames Grundlagenforschungsinstitut aufbauen und begab sich auf Standortsuche: London wurde verworfen, weil die technischen Assistenten als zu schlecht ausgebildet galten; Heidelberg kam nicht infrage, weil befürchtet wurde, dass jüdische Forscher nicht in die deutsche Stadt kommen wollten; auch die USA wurden verworfen, weil Genentech ohnehin dort saß.Wien war auf dieser Liste von möglichen Standorten nicht vorhanden – der alte Weltruf der medizinischen Schule war nach der Vertreibung der Forscher in den 1930er-Jahren dahin; für die Amerikaner, so schreibt Wirth, war es sogar zweifelhaft, ob man in Wien, dieser unbekannten Stadt in einem kleinen Land nahe dem Eisernen Vorhang, überhaupt leben könnte.

Durch alte Kontakte Hans Tuppys zu US-Spitzenforschern und zu Boehringer (durch dessen Wiener Tochter Bender) kam aber schließlich auch die österreichische Hauptstadt ins Gespräch. Es spießte sich allerdings daran, dass die Unternehmen – nach amerikanischem Vorbild – unbedingt die Nähe zur Universität verlangten. Im 9. Bezirk war aber kein ausreichend großer Platz frei. Die Stadt Wien bot ein Gelände an, das durch den Wegzug der Hornyphon- bzw. Philips-Fabrik im dritten Bezirk frei geworden war: das Gelände des mittelalterlichen Siechenhauses St. Marx – der Name kommt vom Heiligen Markus, dem die Kapelle geweiht war. Das Problem: Dort gab es weit und breit keine Universität – also kam man auf die Idee, dass Uni-Institute hinziehen könnten. Diese Entscheidung war letztlich der Startschuss für eine außergewöhnliche Geschichte, in der am Ende viele verschiedene Institutionen – Bund, Stadt Wien, Universitäten, Förderagenturen, Unternehmen – an einem Strang zogen.

1988 wurde das Institut für Molekulare Pathologie (IMP) eröffnet, 1992 zogen einschlägige Uni-Institute an den Standort. IMP und Uni schufen gemeinsame PhD-Programme und eine Bibliothek; diesem Kooperationsmodell schloss sich dann auch die Akademie der Wissenschaften (ÖAW) an, die ab 1999 zwei Institute am Campus gründete: das IMBA und das GMI.


Hohes Ansehen. Parallel entstanden erste Biotech-Start-ups, mit der Zeit wurde Reputation aufgebaut, ein Gebäude nach dem anderen errichtet. Die Uni-Forscher formierten sich in den „Max F. Perutz Laboratories“ neu, die FH Campus siedelte ihre Biotech-Institute an, es entstand die Campus Support Facility GmbH, die für alle Institute Großgeräte betreibt.

Das VBC hat sich zu einem international vorzeigbaren Standort gemausert – mit rund 1400 Forschern aus 40 Nationen. „Am VBC-Campus gibt es ein tolles Forschungsumfeld“, bestätigte diese Woche die deutsche Forscherin Kristin Tessmar-Raible, die in Wien mit einem ERC Starting Grant die Rhythmen des Lebens erforscht. Der Level an Spirit und Interaktion sei mindestens genauso hoch wie in Heidelberg, wo sie ihre Post-Doc-Zeit verbracht hat. Manche Biotech-Start-ups haben Weltgeltung – etwa Intercell (bzw. der Nachfolger Valneva), Affiris oder Haplogen. Letzteres Unternehmen (mit Beteiligung des Zentrums für Molekulare Medizin, CeMM, der ÖAW) gab in der Vorwoche in „Nature Methods“bekannt, dass seine Sammlung von 9000 haploiden menschlichen Zellen (mit nur einer DNA-Kopie, in der gezielt jeweils ein Gen „abgeschaltet“ wurde) für die internationale Forschergemeinschaft geöffnet wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2013)

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