Gen-Doping: Maus, fast nur Muskel

Es tut den Augen weh: Links unten (und rechts außen) zeigt die Maus ihre Muskeln.
Es tut den Augen weh: Links unten (und rechts außen) zeigt die Maus ihre Muskeln. (c) Lee
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Medizin. Muskel-Pakete können durch einen gentechnischen Eingriff vervierfacht werden. Gen-Doping für Menschen wird noch eine Weile dauern.

Als Se-Jin Lee, Molekularbiologe an der Johns Hopkins University, Baltimore, 1997 seine erste Kreation präsentierte – eine Maus, die durch einen gentechnischen Eingriff doppelt so viel Muskelmasse hatte wie eine normale –, waren die Journalisten nicht lange verlegen: „Mighty Mouse“ wurde sie im englischen Sprachraum genannt, „Schwarzenegger-Maus“ im deutschen. Aber was soll uns nun einfallen, da Lee wieder mit einer Maus da ist, die die vierfache Muskelmasse hat?

Hinter der „Mighty Mouse“ steckte Myostatin, das ist ein Gen respektive Protein, das bei der Entwicklung der Skelettmuskeln mitspielt, es hemmt ihr Wachstum. Deshalb gedeihen sie prächtig, wenn man Myostatin selbst hemmt, Lee hat das 1997 mit Follistatin getan, wieder ein Gen respektive Protein, es bindet an Myostatin, blockiert es. Das funktionierte sowohl bei Embryos wie bei schon erwachsenen Mäusen (Nature, 387, S.83). Bald merkte man, dass es auch bei Rindern, Schafen und Hunden – Rennhunden – geht, der Stoff ist für die Tierzucht von höchstem Interesse.

Für die Menschenzucht auch: 2004 wurde ein Kind aus Deutschland bekannt, das mit drei Jahren so muskelbepackt war, dass es ohne Mühe drei Kilo an jedem ausgestreckten Arm halten konnte. Es hatte ein mutiertes Myostatin-Gen (NEJM, 350, S.2682). Spätestens da wurde jene Zunft hellhörig, die nach immer neuer klandestiner Stärkung für ihre Klientel sucht, die der Dopingärzte. Und die der Versorger der Freizeit-Bodybuilder: Wer im Internet nach „Myostatin“ schaut, findet sich rasch auf Seiten mit „Kraftnahrung“ und dergleichen. Aber es ist Zeitverschwendung, noch gibt es kein Medikament, noch müsste man es mit Gentherapien versuchen, und von denen ist am Menschen bisher keine gelungen, Gen-Doping wird eine Weile dauern.

Ein Medikament wäre natürlich ein Segen, es gibt viele Muskelkrankheiten (und es gibt Zusammenhänge zwischen der Entwicklung der Muskeln und der des Körperfetts). „Es wäre eine Schande, wenn das Missbrauchspotenzial der Entwicklung von dringend nötigen Behandlungen im Wege stünde“, erklärte Lee 2004 anlässlich des Bekanntwerdens des Kindes und der ihm folgenden Doping-Debatte.

Das Skelett hält die Belastung aus

Deshalb suchte er weiter, einerseits nach praktikablen Myostatin-Blockern, andererseits nach dem genaueren Mechanismus der Blockade. Also manipulierte er wieder Mäuse mit Follistatin, aber bei einer Gruppen schaltete er zuvor das Myostatin-Gen aus. Es gab also nichts zu blockieren, aber ausgerechnet diese Mäuse legten die vierfache Masse zu, die einzelnen Muskelfasern wurden größer, die ganzen Muskeln auch, und zwar in allen Skelettmuskeln (das Skelett selbst hält das offenbar aus, das Herz auch, von seiner Vergrößerung berichtet Lee nichts): Follistatin wirkt auch ganz alleine, und dann noch doppelt so gut wie in Verbindung mit Myostatin (PLoS ONE, 29.8.).

Natürlich wirkt es nicht ganz alleine, sondern im Verbund mit noch ungeklärten Molekülen, an die es auch bindet, so wie an das Myostatin: „Die Fähigkeit, diese Signalpfade zu beeinflussen, um Muskelwachstum anzuregen, ist viel größer als bisher vermutet.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2007)

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