Ein See mitten in der Wüste

(c) AP (Daniel Ochoa de Olza)
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Ein Großprojekt in Turkmenistan ist umwelt- und geopolitisch riskant.

Knochentrocken ist Karashor, eine 120 Kilometer lange Senke in der Karakum-Wüste im Nordwesten Turkmenistans, es gibt wenige Regionen der Erde, in denen man sich noch weniger einen See vorstellen könnte. Und doch soll exakt dort einer entstehen, der „See des Goldenen Zeitalters“, 3500 Quadratkilometer groß, mehr als zehn Mal so groß wie der Neusiedler See, sechs Milliarden Dollar teuer. Er werde das „Symbol der Wiederkehr des Turkmenen-Landes“ sein, erklärte Präsident Saparmut Nijaswow – bekannt als „Turkmenbashi“, „Vater des turkmenischen Volkes“ – im Oktober 2000, als er, 450 Kilometer südlich des geplanten Sees, zu einer Schaufel griff und einen kleinen Erdwall durchstieß, es war der Beginn eines ausgedehnten Kanalsystems, das Wasser in die Wüste bringen soll.

Eine Oase für Menschen und Tiere – Zugvögel vor allem – soll erblühen, aber das ist nur ein Nebeneffekt, in der Hauptsache geht es nicht um Be-, sondern um Entwässerung: Die Region hatte einst eines der ausgefeiltesten Bewässerungssysteme der Erde, dann kamen die Mongolen und schlugen alles kurz und klein. Übertroffen wurden sie nur von einem, Stalin mit seinen Bewässerungsprojekten, die in den Wüsten des Südens Baumwolle gedeihen lassen wollten. 1954 begann der Bau des Karakum-Kanals, der Wasser beim Amur Daja – einem der beiden Zubringer des Aral-Sees – abholt und es 1375 Kilometer weit transportiert, 1998 wurde er fertig, er ist der längste Bewässerungskanal der Erde. Auch der zweite Aral-Zubringer, der Syr Daja, wurde angezapft, dieses Wasser ging nach Usbekistan.

Versalzen durch Bewässerung

Der Aral-See ging daran fast zu Grunde – er schrumpfte auf ein Viertel der früheren Fläche –, aber der Süden profitierte, zunächst, entlang des Karakum-Kanals verdreifachte sich die nutzbare Fläche. Der Preis war hoch: Der Boden versalzte, das (zu viele) Bewässerungswasser trieb den Grundwasserspiegel in die Höhe, das trieb Salz aus der Erde. Die Bauern sahen es anders herum, sie wollten das Salz mit immer mehr Wasser aus dem Boden ausschwemmen, in Summe sind 80 Prozent der Agrarflächen heute geschädigt, vielerorts entstanden Salzseen.

Also muss das überschüssige Wasser wieder weg, deshalb der See: Man drainiert die Felder, man baut Kanäle – hunderte Kilometer –, man hat angeblich auch ein Material zum Filtern der Brühe, die stark mit Dünger und Pestiziden kontaminiert ist. Trotzdem fürchten viele, dass der Goldene See ein Totes Meer wird. Andere fürchten Ärgeres, einen Wasserkrieg. „Das Projekt hat unglaubliche geopolitische Implikationen“, erklärt Johan Gely, Schweizer Entwicklungsexperte: Möglicherweise kommt aus den Agrargebieten nicht genug Wasser oder es kann doch nicht gut genug gereinigt werden. Dann bestünde die Gefahr, dass Turkmenistan zusätzliches Wasser aus dem Amu Darja abzweigen will. Aber das ist der Grenzfluss zu Usbekistan – und das würde kein Wasser abgeben wollen (Science, 320, S.1002). jl

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2008)

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