Neue Hoffnung für Autisten

Medizin. Hirnforscher fanden einen Weg, Symptome einer Form des Autismus zu lindern. Gezeigt wurde dies bisher erst im Labor.

Aminosäuren sind wie kleine Legobausteine, aus denen Proteine aufgebaut sind. Im Inneren der Zellen werden einzelne Aminosäuren zu großen Proteinmolekülen verbunden. „Unsere Zellen brauchen über 20 Aminosäuren und manche davon kann unser Körper nicht selbst bilden, sie müssen mit der Nahrung aufgenommen werden“, erklärt Gaia Novarino vom Institute of Science and Technology (IST) Austria. Ihr Team konnte erstmals zeigen, dass manche der „essenziellen Aminosäuren“, die der Körper nicht herstellen kann, eine wichtige Rolle in der Entstehung von Autismus spielen.

„Bei Kindern, die eine Mutation im Gen BCKDK haben, werden drei essenzielle Aminosäuren viel zu rasch verbraucht. Der Körper zerstört also etwas, was er dringend brauchen würde“, sagt Novarino. Diese Erkenntnis der Grundlagenforschung dient als erster Ansatz für eine Therapie, die autistische Symptome lindern könnte.

Hoch dosierte Aminosäuren

„Ebenso könnte sie gegen Epilepsie und geistige Behinderung wirken, denn auch hier scheint eine Ursache zu sein, dass diese essenziellen Aminosäuren nicht richtig verarbeitet werden können, wenn eine Mutation in dem Gen vorliegt“, sagt Novarino. Die Therapie wäre demnach, dem Körper als Ergänzung regelmäßig eine hohe Dosis dieser Aminosäuren zuzuführen, sodass ihm zumindest einiges davon in den Körperzellen zur Verfügung steht wird.

„Im Labor konnten wir bereits zeigen, dass dieser Therapieansatz Wirkung zeigt: Die Symptome der Erkrankungen verschwanden langsam im Modellsystem“, so Novarino. An den nun folgenden klinischen Studien, die eine Wirkung im Menschen untersuchen, ist die Neurowissenschaftlerin nicht mehr beteiligt: Das liegt in den Händen der klinischen Forschung und der Pharmaindustrie.

Ihr Team will nun herausfinden, wie es möglich sein kann, dass man im erwachsenen Gehirn etwas reparieren kann, was in der Kindheitsentwicklung schiefgelaufen ist. „Autismus und andere Gehirnerkrankungen entstehen in frühester Kindheit, in frühen Entwicklungsschüben läuft etwas falsch. Trotzdem können Symptome dieser Fehlentwicklung korrigiert werden, nachdem die Gehirnentwicklung abgeschlossen ist“, erklärt Novarino. Diese Umkehrbarkeit ist nicht erklärbar und wird das Team der Italienerin in den nächsten Jahren beschäftigen. „Dabei sind wir weit weg vom Patienten und arbeiten wieder im Labor“, so Novarino. (vers)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2015)

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