Punktgenaue Ortung im Gebäude

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Der Elektrotechniker Klaus Witrisal entwickelt eine Technik, mit der man in Innenräumen exakt navigieren kann: Das hilft bei Rettungseinsätzen, in der Industrie und im Alltag.

Wer kann behaupten, sich noch nie in einem Gebäude verirrt zu haben? Fast jeder stand schon irgendwo vor einer falschen Tür oder im falschen Stock. Wie praktisch wäre ein Navi am Handy, das in Gebäuden funktioniert. Denn GPS-Signale, die uns per Smartphone längst den Weg durch Stadt und Land weisen, gelangen nicht in Innenräume. Sobald der Sichtkontakt zum Satelliten unterbrochen ist, ist man für GPS unsichtbar.

„Außerdem taugt die Genauigkeit von GPS nicht für Innenräume“, sagt Klaus Witrisal vom Institut für Signalverarbeitung und Sprachkommunikation der TU Graz. Zehn Meter auf oder ab reichen im Freien. Doch in einem Gebäude müsste man Personen oder Objekte auf den Zentimeter genau lokalisieren. Dies ist das Ziel von Witrisals Team: eine Technologie zu entwickeln, die indoor eine exakte Ortung ermöglicht.

„Seit Anfang der 2000er-Jahre sind Forscher an dem Thema dran. Vor allem nach 9/11 suchte man nach Möglichkeiten, Einsatzkräfte in einem Gebäude besser zu lokalisieren, um sie vor Gefährdungen zu warnen und um den Einsatz besser zu koordinieren“, sagt der Grazer Forscher. Auch viele Bereiche der Industrie hätten gern eine einheitliche Technologie, die kontrolliert, welches Objekt zu welcher Zeit an welchem Ort ist.

„Machen wir es wie die Fledermäuse“

Gemeinsam mit Paul Meissner, der für seine Dissertation an der TU Graz kürzlich mit dem Forschungspreis des Vereins Deutscher Ingenieure ausgezeichnet wurde, kam Witrisal die Idee: „Machen wir es doch wie die Fledermäuse.“ Die nachtaktiven Tiere nutzen die Reflexion von Ultraschallsignalen, um ihre Umgebung zentimetergenau zu erkennen. „Statt Ultraschall nehmen wir Funksignale“, so Witrisal. Diese können Kleidung und Objekte durchdringen, über große Distanzen übertragen werden und lassen sich mit geringem Stromverbrauch betreiben. Die Signale reflektieren an Wänden, so vervielfältigen sich quasi die Messpunkte: Blockierte Sichtverbindungen oder überlagernde Signalreflexionen stören nicht.

„Auch Bewegungen von Menschen oder neue Objekte erkennt das System automatisch: Unsere Algorithmen sind so programmiert, dass das System ständig lernt“, so Witrisal. Und: Für die Ortung braucht man keine genauen Baupläne des Gebäudes oder Kenntnis der Baumaterialien, an denen Signale unterschiedlich stark reflektieren. Denn die Unsicherheiten der Messungen schätzt das System automatisch ab und berücksichtigt dies für die Berechnung.

Derzeit läuft die punktgenaue Innenraumortung nur in einem Testaufbau an der TU Graz. Im Februar 2015 erhielt das Forscherteam die Prize-Förderung vom Wissenschaftsministerium und der Austria Wirtschaftsservice AWS. „Wir arbeiten noch mit einem teuren Laborgerät, das ein sehr breitbandiges Signal sendet.“

Doch in Zukunft soll das System günstiger werden, vor allem, wenn Handys und Tablets damit ausgerüstet werden. „Die nächste Generation der Mobilfunksysteme, mit der man in etwa ab 2020 rechnet, wird wohl mit einer Funktechnologie für eine genaue Innenraumortung ausgestattet sein“, erklärt Witrisal.

Auch jetzt interessieren sich viele dafür. Die Automobilindustrie in Graz würde die Technik gern einsetzen, um Produktionsabläufe in den Werken besser zu überwachen. Das neue System könnte die herkömmliche Ortung über elektronische Produktcodes wie RFID-Tags ersetzen oder verbessern.

In einem von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG finanzierten Projekt tüfteln die Grazer Forscher nun gemeinsam mit Industriepartnern aus der Halbleiterbranche an konkreten Einsatzmöglichkeiten. „Ich sage den Interessenten, dass es noch fünf bis zehn Jahre dauern wird, bis sich diese Technik weiterverbreiten kann“, so Witrisal.

Privat gar kein Technikfreak

Er weiß, dass manche Entwicklungen in diesem Bereich schwer abzuschätzen sind. Immerhin arbeitete er in den 1990ern während seiner Dissertation in den Niederlanden in Delft an Breitbandkommunikation, lang bevor WLAN die Welt eroberte. „Damals fragten Mobilfunkhersteller, wozu man Datenfunk an Handys benötigt. Erst die modernen Smartphones haben mobiles Internet ermöglicht, so wie wir es heute kennen.“

Und wie sieht es privat mit seinem Faible für Technik aus, kauft sich der junge Uni-Professor jedes Jahr ein neues Handy? „Nein, ich bin eigentlich gar nicht so ein Technikfreak“, sagt Witrisal. Viel lieber sei er in der Natur beim Mountainbiken oder mit seiner Familie in den Bergen wandern.

ZUR PERSON

Klaus Witrisal (geboren 1972 in Graz) studierte an der TU Graz Elektrotechnik. Seine Dissertation über Breitbandkommunikation schrieb er an der TU Delft, Niederlande. Zurück in Österreich arbeitete er ab 2002 beim Motorenbauer AVL in Graz im Bereich der Abgasmesstechnik. 2003 ging Witrisal wieder in die Forschung und Lehre, ans Institut für Signalverarbeitung und Sprachkommunikation der TU Graz, nun als Associated Professor.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2016)

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