Steinrestaurierung: Im Kampf gegen Wasser, Frost, Hitze

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Im EU-Forschungsprojekt werden Gesteine im Nanobereich untersucht. Eine Patentlösung gibt es nicht, jedes Bauwerk verfügt über unterschiedliche Materialien.

„Marmor, Stein und Eisen bricht . . .“ – der Schlager Drafi Deutschers aus der Mitte der 1960er-Jahre ist heute aktueller denn je, zumindest wenn es um den Stein und die EU-Forschung geht. Im Fokus steht das kulturelle Erbe Europas, von Norwegen bis Italien und Spanien. Unter anderem sind das Opernhaus in Oslo, die Kathedrale Santa Maria in Vitoria-Gasteiz im Baskenland oder der Stephansdom in Wien beteiligt. Das 2015 gestartete EU-Projekt Nano-Cathedral zielt auf neue Technologien, auf Materialien und Anwendungsverfahren bei der Steinrestaurierung ab.

Die aktuelle Forschungskooperation umfasst 42 Partner aus sechs europäischen Ländern, in Österreich sind die Universität für angewandte Kunst, die TU Wien und die Dombauhütte St. Stephan beteiligt. Wie kann man – mit neuen Methoden – verwitterte Mineralien festigen, so lautet die Fragestellung. Ziel der Forschung ist die Adaptierung bestehender Nanosysteme für die Steinrestaurierung. „Wir testen Substanzen, die bis in die Tiefe von drei bis vier Zentimetern, das ist die Zone der Verwitterung, in das Gestein injiziert werden sollen“, sagt Johannes Weber, Geologe und Petrologe an der Angewandten.

Hauptfeind Schwefeldioxid

Der Hauptfeind des Steins sind die Luftschadstoffe, vor allem Schwefeldioxid, wobei Weber schon um das Jahr 1975 den Höhepunkt konstatiert. Seit damals geht die durch den Hausbrand verursachte Belastung zurück, die Schäden sind freilich weiterhin vorhanden. Wobei jedes Gestein über eine unterschiedliche Festigkeit und unterschiedliche Beständigkeit gegenüber den Witterungseinflüssen von Wasser, Frost und Hitze verfügt.

Für den Osten Österreichs ist der Leithakalk, der schon von den Römern genutzt wurde, bestimmend. Das Problem: Der Leithakalk reagiert mit schwefelhaltigen Luftschadstoffen, aus der chemischen Reaktion des Gesteins mit Schwefeldioxid bildet sich Gips. In Wien ist der Stephansdom zu 90 Prozent aus Leithakalk errichtet, bei den profanen Bauwerken sind es die Aquädukte der Wiener Hochquellwasserleitung. Punktuell gibt es in Europa ähnliche Gesteinsformationen, etwa in der Region um Vicenza, im Pariser Becken oder bei Krakau. „Bisher wurden für den Leithakalk keine speziellen Steinfestigungsmittel entwickelt“, so Weber.

Weber geht von vier Verwitterungsbildern aus: Erstens nennt der Angewandte-Professor die Erosion der Oberfläche, bei der das Innere des Steins noch kaum angegriffen ist; zweitens die Auflockerung, bei der man die mehrere Zentimeter eindringenden Schäden mit einer flüssigen Substanzlösung imprägnieren kann; drittens die Schalenbildung, wobei die Schwächezone unter der Oberfläche liegt und ein Konservierungsmittel zunächst die dichtere Schale durchdringen muss; und viertens die Krustenbildung, bei der die betreffenden Schichten oft abgenommen werden müssen.

Ein tausendstel Millimeter

Jedes einzelne Objekt erfordert je nach Verwitterungsprofil und Gesteinsmaterial ein problemspezifisches Vorgehen. Die Risse in Marmorskulpturen und -verplattungen, wie z. B. bei der Otto-Wagner-Kirche, die von den Experten der TU Wien behandelt werden, sind wenige tausendstel Millimeter breit. In diesem Bereich sind bautechnischen Normen kaum anwendbar, „da untersuchen wir mit Mikroskopen und Elektronenmikroskopen“. Als Hauptfestigungsmittel hat sich in den vergangenen 30 Jahren ein Kieselsäureester erwiesen, das ist eine Flüssigkeit, die im Stein zu Kieselgel ausreagiert, eine wasserhaltige, feste, aber nicht mehr flüssige Substanz. Weiters werden auch Kunstharze (Acrylateharze) verwendet wie bei der Restaurierung der Pestsäule am Graben.

Ein spezieller Fall war in den vergangenen Jahren die Restaurierung der Virgilkapelle unter dem Stephansplatz. Von der Oberfläche sickerte über lange Zeiträume Streusalz in den Boden, die Salze dringen in kristallisierter Form in das unterirdische Gewölbe ein und greifen die mittelalterlichen Wandflächen an. „Das Hauptthema der Konservierung ist der Umgang mit den Salzen“, sagt Weber. Über Jahre wurden Temperaturen und Luftfeuchtigkeit gemessen, bis man zu Klimabedingungen fand, bei denen weitere Schäden minimiert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2016)

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