Psychologie: Ekel vor Keimen, Abneigung gegen Fremde

Republican U.S. presidential candidate Trump shows off the size of his hands as rivals Rubio and Cruz look on at the start of the U.S. Republican presidential candidates debate in Detroit
Republican U.S. presidential candidate Trump shows off the size of his hands as rivals Rubio and Cruz look on at the start of the U.S. Republican presidential candidates debate in Detroit(c) REUTERS (JIM YOUNG)
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Der fremdenfeindliche Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat Ekel vor dem Händeschütteln und der Infektion mit Bakterien und Viren. Studien belegen einen Zusammenhang zwischen Ansteckungsangst und Xenophobie.

Schenkt man Donald Trump Glauben, so trübt kaum ein Makel den Charakter des republikanischen Kandidaten für die amerikanische Präsidentschaft. Trump schwört, dass niemand so viel für die Emanzipierung der Frauen tue wie er, niemand die Bibel so oft lese wie er, niemand so viel für die Gleichberechtigung der Schwarzen tue, niemand sich besser mit dem internationalen Abkommen über das iranische Atomwaffenprogramm auskenne, niemand weniger rassistisch sei und, im Allgemeinen, niemand mehr Erfolg habe als er.

Perfekt ist allerdings auch Trump nicht, wie er schon vor Jahren in einem seiner Bücher eingestand. „Ich bin ein Saubere-Hände-Freak“, schrieb Trump im Jahr 1997 in „The Art of the Comeback“. Deshalb verabscheue er es, Hände zu schütteln: „Eine der Heimsuchungen der amerikanischen Gesellschaft ist die einfache Handlung des Händeschüttelns, und je erfolgreicher man wird, desto schlimmer scheint diese schreckliche Gewohnheit zu werden.“ Mehreren Berichten zufolge weigert er sich auch, in Erdgeschoßen den Knopf von Aufzügen zu drücken. Zwei Jahre später legte er im „Frontline“-Fernsehinterview nach und sagte: „Ich denke, dass das barbarisch ist. Dauernd gibt es medizinische Berichte darüber. Beim Händeschütteln fängt man sich Erkältungen ein, die Grippe, allerlei Dinge. Wer weiß, womit man sich da nicht ansteckt?“ Besonders eklig findet er Lehrer, denn die hätten „17.000 Keime pro Quadratinch auf ihren Schreibtischen.“

Die Panik vor der unreinen Hand

Trump selbst hat gesagt, er habe einen „Grenzfall“ von Ansteckungsphobie, also der krankhaften Angst davor, sich beim Kontakt mit anderen Menschen mit einer Krankheit zu infizieren. Dieses Krankheitsbild, im Fachjargon Mysophobie genannt, ist nach Definition des amerikanischen Psychologenverbandes eine der häufigeren Formen zwanghaften Verhaltens. Zu den Symptomen zählt fanatisches Händewaschen nach jedem Kontakt mit möglichen Keimen.

Einige prominente Menschen sind mysophob. Der Komiker Jerry Seinfeld trägt stets ein Päckchen antibakterieller Wischtücher mit sich. Die Schauspielerin Gwyneth Paltrow bringt ihre eigenen Kämme und Bürsten zum Friseur mit. Das Hollywoodsternchen Jessica Alba sprüht Hotelbetten mit dem Duftspray Febreeze ein, bevor sie sich zum Schlafen hinlegt (der hygienische Effekt davon ist zweifelhaft). Der Filmproduzent und Luftfahrtunternehmer Howard Hughes litt derart stark unter seiner Panik vor Bakterien, dass er die letzten Jahre seines Lebens großteils nackt und allein in abgedunkelten, „keimfreien“ Räumen verbrachte.

So krass ist Trumps Befindlichkeit nicht. Aber angesichts seiner rabiaten Forderungen nach einem Einreiseverbot für alle Muslime der Welt, einer Abschiebung aller rund elf Millionen sich illegal in den USA aufhaltenden Fremden und seiner steten Warnung davor, man könne nicht wissen, wer alles über die Grenzen in die USA komme, drängt sich eine Frage auf: Hängen Ansteckungsangst und Fremdenfeindlichkeit zusammen? Vier Forscher an der University of British Columbia haben diese These, die zuvor schon in Studien dokumentiert worden war, vor mehr als einem Jahrzehnt mit einer Reihe aufwendiger Experimente bestätigt. In ihrem Papier „Evolved Disease-Avoidance Mechanisms and Contemporary Xenophobic Attitudes“ (Group Processes and Intergroup Relations, 2004, Vol. 7, S. 333−353) beschreiben sie eine Korrelation zwischen der gefühlten Ansteckungsgefahr von Menschen und ihrer Ablehnung von Ausländern.

„Chronische und im konkreten Zusammenhang erregte Gefühle der Angreifbarkeit durch Krankheiten sollten zur Liste der psychologischen Faktoren hinzugefügt werden, die zu xenophoben Einstellungen führen“, resümieren Jason Faulkner, Mark Schaller, Justin H. Park und Lesley A. Duncan. Sie geben zwar zu bedenken, dass der Ekel evolutionär betrachtet ebenso ein grundsätzlich überlebenswichtiger Affekt war, um sich vor giftigen Pflanzen zu schützen, wie das Misstrauen gegenüber Fremden der Senkung des Risikos von Infektionskrankheiten diente, gegen die eine Stammesgemeinschaft keine Antikörper hat.

Kaczyńskis erfundene Cholera-Araber

Doch in modernen Gesellschaften mit eingespielten Gesundheitssystemen hat diese entwicklungsgeschichtliche Ratio, Fremden aus Angst vor Ansteckung zu misstrauen, kaum eine belastbare Grundlage. Gewiss erkranken Flüchtlinge, die unter schlechten hygienischen Bedingungen leben, leichter. Doch die Warnung des nationalistischen polnischen Parteiführers Jarosław Kaczyński während des Wahlkampfes im Oktober vorigen Jahres, wonach wegen der arabischen Flüchtlinge „Cholera auf den griechischen Inseln, Ruhr in Wien“ ausgebrochen sei, weil „alle Arten von Parasiten und Bakterien, die in den Organismen dieser Menschen harmlos sind, hier gefährlich werden können“, war medizinisch falsch und frei erfunden.

Die Studie aus Vancouver belegte, dass der Zusammenhang zwischen Ansteckungsangst und Fremdenhass umso stärker ist, je mehr die Befragten Aussagen wie „Ich wasche meine Hände so rasch wie möglich nach dem Händeschütteln“ bejahen und je fremdartiger die Flüchtlinge sind, mit denen man sie konfrontiert. So wurde das erfundene Volk der „Saznier“ den Studienteilnehmern einmal als ostafrikanisch, einmal als ostasiatisch und einmal als osteuropäisch beschrieben. Das Ergebnis war ebenso erwartbar wie bedenklich: Wurden die „Saznier“ als Afrikaner präsentiert, war die Ablehnung gegen ihre Einwanderung nach Kanada enorm. Hingegen waren sogar Befragte mit besonders hoher Ansteckungsangst in Summe dafür, die „Saznier“ aufzunehmen – wenn sie Europäer oder Asiaten sind.

AUF EINEN BLICK

Im Jahr 2004 veröffentlichten vier Psychologen an der University of British Columbia in Vancouver ein Papier, das den starken Zusammenhang zwischen der Phobie vor Krankheitserregern und der Ablehnung von Fremden belegt. Auf Basis sechs aufeinanderfolgender Experimente zeigten sie, dass Menschen Fremde umso mehr ablehnen, je stärker sie der Zwangsvorstellung unterliegen, stets der Infektion mit Keimen ausgesetzt zu sein. Besonders stark ist dabei die Ablehnung von Afrikanern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2016)

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