Nobelpreis für Frieden ist weiß und männlich

(c) Wikipedia
  • Drucken

Seit 1901 wird der Friedensnobelpreis vergeben. Wiener Forscher untersuchen, wer ihn wofür verliehen bekommt. Männer aus Europa und den USA führen im Medaillenspiegel.

Es gibt bekannte Personen, die den Friedensnobelpreis gewannen: etwa US-Präsidenten wie Jimmy Carter, Woodrow Wilson oder Theodor Roosevelt. Politiker wie Willy Brandt oder Henry Kissinger. Der Initiator des Marshallplans George C. Marshall, der polnische Gewerkschaftsgründer, Lech Wałesa, oder der Arzt und Theologe Albert Schweitzer. Ein Großteil der Preisträger sind einer breiten Öffentlichkeit jedoch unbekannt.

Die meisten haben etwas gemeinsam: „Der Friedensnobelpreis ist weiß, männlich und gut situiert“, sagt Susanne Reitmair-Juárez, Politikwissenschaftlerin am Demokratiezentrum Wien. Gemeinsam mit Brigitta Bader-Zaar untersucht sie im von der Österreichischen Nationalbank geförderten Projekt „Friedenskonzepte im Wandel“ die Vergabe seit 1901 und arbeitet aus den Verleihungs- und Dankesreden verschiedene Friedenskonzepte heraus.

Friede durch Recht

Die Konzepte für eine friedliche Welt sind verschieden: Es geht um Demokratie, Menschenrechte, wirtschaftliche Stabilität, Umweltschonung, humanitäre Hilfe, Entwicklung und Versöhnung. Das sind auch Kategorien, in denen Reitmair-Juárez die Vergaben einteilt. Die Konzepte wechseln sich ab, wobei eines in den letzten 115 Jahren besonders hervorsticht: Gerechtigkeit durch Rechtschaffung, im Besonderen die Verrechtlichung internationaler Beziehungen.

„Der Grundtenor ist, dass man einen Staat als Vorbild hat, wo das Rechtssystem funktioniert und analog dazu zwischen den Staaten ähnliche Rechtsideen institutionalisiert“, sagt Reitmair-Juárez. Von 1901 bis zum Zweiten Weltkrieg sind beinahe alle Preisträger für derlei Verrechtlichungen ausgezeichnet worden: Etwa Austen Chamberlain, Charles Gates Dawes, Astride Briand, Gustav Stresemann oder Frank Billings Kellog. Der Briand-Kellogg-Pakt von 1928 zur Ächtung des Krieges und dem Verzicht, diesen als Werkzeug für die Politik einzusetzen, ist heute noch ein Begriff.

Die Herrschaften des Friedens

Weitere Dominanzen sind auffällig: 92 der insgesamt 129 Gewinner kommen aus Europa und Nordamerika. Davon sind wiederum 59 weiße Männer. Das spiegelt aber nicht die Wirkungsorte dieser Männer wieder. Nur 24 ihrer Projekte konzentrierten sich auf Europa. Bisher wurde nur eine einzige Friedensarbeit für den Kontinent Nordamerika ausgezeichnet. Diese ging an einen schwarzen Mann: Martin Luther King.

Nur 16 Frauen erhielten den Friedensnobelpreis. Davon ist die Schwedin Alva Myrdal, die sich für die internationale Abrüstung stark machte, die einzige Politikerin. Alle anderen Frauen kommen aus der Zivilgesellschaft, auch die in Prag geborene Bertha von Suttner, die bereits im Jahr 1905 den Preis verliehen bekam. Sie soll Alfred Nobel auch dazu angeregt haben nicht nur Preise für die Wissenschaft, sondern auch für den Frieden zu stiften, gerade weil er zuvor der Welt das Dynamit schenkte. Frauen blieben nach Suttner unterrepräsentiert, weil „sie in wenig wichtigen Positionen waren, weniger sichtbar, weniger vorgeschlagen und daher weniger ausgezeichnet wurden“, sagt Reitmair-Juárez.

In den vergangenen Jahren bessert sich das etwas. Das Komitee erwähnte bereits, dass sie zu wenige Frauen auszeichneten. Andere Themen sprechen sie nicht an: Etwa Kolonialkriege. „Noch ist keine friedliche Unabhängigkeitsbewegung direkt ausgezeichnet worden – auch Ghandi nicht“, sagt Reitmair-Juárez.

Das gelte es allerdings noch zu erforschen, denn die Konzepte „Friede durch Entwicklung“ und „Anpassung der sozioökonomischen Situation“ werden damit wenig beherzigt. Im globalen Handel sind koloniale Strukturen jedenfalls weiter aufrecht. Das fördert die Ungleichheit von Ländern.

Mehr: www.demokratiezentrum.org

IN ZAHLEN

129 Mal wurde der Friedensnobelpreis bisher verliehen, 64 mal ging er an Europäer. 28 Nordamerikaner nahmen den Preis in Empfang, aber nur einer von ihnen für das Engagement in Nordamerika: Martin Luther King.

87Männer, 26 Organisationen und 16 Frauen sind für Verdienste für den Frieden ausgezeichnet worden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.