Weiter vorausschauen als der Wetterbericht

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Themenbild(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Prognose. Wer am Wochenende zum Skifahren auf den Berg will, dem genügt die lokale Wettervorhersage. Betreiber von Skigebieten brauchen für ihre wirtschaftliche Planung einen Blick über die ganze Saison. Den soll ein neues Projekt bringen.

Bis zu diesem Wochenende hat es im Süden Österreichs extrem wenig geschneit. Auf der Villacher Alpe etwa fallen sonst im Dezember durchschnittlich 64 Zentimeter Neuschnee, im Jänner 50 Zentimeter. Heuer war es bisher nur ein Zentimeter. Das kleine Skigebiet am Dobratsch wurde aber ohnehin bereits 2002 aufgelassen. Andere Skigebiete kämpfen mit künstlicher Beschneiung um das touristische – und wirtschaftliche – Überleben.

Skiregionen im gesamten alpinen Raum soll künftig ein neues Prognosewerkzeug bei der Planung helfen. Prosnow heißt die von der Europäischen Union geförderte Forschungsinitiative für ein verbessertes Schneemanagement. Sie soll mittelfristige Vorhersagen für die Planung der künstlichen Beschneiung im gesamten alpinen Raum erlauben. „Wir wollen weiter schauen als der Wetterbericht“, sagt Ulrich Strasser vom Institut für Geografie der Universität Innsbruck. Es gehe also weder um Wettervorhersagen für morgen noch um Klimaszenarien für 2100, sondern um Prognosen für eine ganze Wintersaison.

Das gibt es noch nicht. Bisherige Modelle beziehen sich auf bestimmte Regionen oder Nationen, betrachten Naturschnee und blicken weniger weit in die Zukunft – das dafür sehr exakt. Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) misst etwa an 61 Standorten in Österreich mittels Lasern die Schneehöhe. Daraus lassen sich mithilfe eines ausgeklügelten Modells für 28 Millionen Punkte in Österreich Schneehöhe, Neuschnee oder die mittlere Schneetemperatur berechnen. Daten, die einerseits für die Logistik von Tourismusregionen wichtig sind, die aber andererseits auch Lawinenwarndienste, Straßendienste und Schneeräumungsfirmen nutzen. Überdies lassen sich Vorhersagen treffen, wie stark die Pisten demnächst beschneit werden müssen.

Im Freibad und auf der Skipiste

Mit Prosnow wollen die Forscher mehrere Monate in die Zukunft schauen. „Wir wollen so Skigebieten helfen, die Beschneiung zu planen“, erläutert Judith Köberl, die die Aktivitäten an der steirischen Forschungsgesellschaft Joanneum Research (JR) koordiniert; Forscher der Wiener Boku sind ebenfalls dabei sowie das Tiroler Schneezentrum, das die Kontakte zu den österreichischen Skigebieten organisiert. Die Projektleitung liegt beim staatlichen französischen Wetterdienst Météo France.

Wie sicher können solche Prognosen sein? Wie bei allen Vorhersagen nimmt die Unsicherheit zu, je weiter man in die Zukunft blickt, so Köberl. Sowohl die Tiroler als auch die steirischen Forscher greifen dabei auf vorhandene Erkenntnisse zurück, die sie im Projekt weiterentwickeln.

Strasser knüpft an sein Schneedeckenmodell Amundsen an – das Akronym erinnert an den norwegischen Polarforscher. Diese Simulation der natürlichen Schneedecke im Hochgebirge basiert auf einem digitalen Geländemodell und meteorologischen Daten. Zudem berücksichtigt sie unter anderem Schatten, Schneealterung und Schneeverwehungen – und auch Rutschungen. Die Berechnungen sollen mit dem neuen Modell für künstliche Beschneiung gekoppelt werden.

Und die Forschergruppe rund um Köberl will das Analysewerkzeug Wedda weiter ausbauen. Das bereits in Freibädern und Wintersportgebieten eingesetzte System verknüpft Wetterdaten mit Betriebskennzahlen wie Umsatz oder Besucherzahlen. So lässt sich das Wetterrisiko vorab beziffern. Auch Getränkefirmen zählten bereits zu den Kunden. Die Frage, ob Gäste Glühwein oder ein Erfrischungsgetränk konsumieren, hängt ja ebenfalls von der Witterung ab. An der Boku wiederum stehen hydrologische, also Fragen rund um das Wasser, im Fokus.

An der JR will man zudem den Mehrwert untersuchen, der sich aus dem neuen Vorhersagesystem ergibt. Forscher und Betreiber alpiner Skigebiete rechnen mit wirtschaftlichen und auch ökologischen Vorteilen: neben geringeren Kosten und einem optimierten Personalmanagement also mit Energieeinsparungen und einem verbesserten Wassermanagement.

Testgebiete in Tirol

Ziel der Horizon-2020-Förderlinie Greening the Economy sei schließlich auch eine „grünere Wirtschaft“, so Strasser. Es geht darum, Klimaservices zu nutzen, um die Wirtschaft ökologischer zu gestalten. Neben der Entwicklung der Schneedecke sollen sich auch Daten zu den Wasserreserven vorhersagen lassen. Der Effekt wird schließlich in ausgewählten Regionen getestet: in Österreich im Tiroler Seefeld und in Mayrhofen im Zillertal.

Die Forschungsergebnisse sind Open Source. Das bedeutet, dass sie andere Wissenschaftler und auch Wetterdienste wie die ZAMG frei nutzen können. Vorliegen werden sie im Jahr 2020, wenn das Projekt abgeschlossen ist.

LEXIKON

Prosnow steht für Provision of a Prediction System Allowing for Management an Optimization of Snow in Alpine Ski Resorts. Bisher fokussierten Prognosemodelle eher kurzfristig auf die Einschätzung des Naturschnees in einzelnen Regionen. Mit Prosnow wollen die europäischen Wissenschaftler künftig Skigebieten im gesamten alpinen Raum ein Planungswerkzeug in die Hand geben, mit dem sich der Einsatz von Kunstschnee managen lässt. Nach einer Laufzeit von drei Jahren stehen die Ergebnisse allen Interessierten zur Verfügung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2017)

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