Schiedsgerichte und Völkerrecht

Der Wiener Gabriel Lentner ging schon als Jugendlicher ins Ausland, forschte in Stanford und Cambridge, und lebt und arbeitet nun in Krems.
Der Wiener Gabriel Lentner ging schon als Jugendlicher ins Ausland, forschte in Stanford und Cambridge, und lebt und arbeitet nun in Krems.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Jurist Gabriel M. Lentner vertieft sich in die Akten von internationalen Schiedsgerichten und findet Fragen spannend, bei denen zwei Rechtsgebiete aufeinanderstoßen.

„Ich wollte als Kind schon Jus studieren und Richter werden. Obwohl in meiner Familie keine Juristen sind“, sagt Gabriel M. Lentner. „Ich war immer sensibel für Gerechtigkeit. Auch heute versuche ich in der Familie stets zwischen den Seiten zu vermitteln.“ Der junge Wiener, der bei der Matura als Spezialgebiet Rechtsphilosophie wählte, war schließlich im Jahr 2006 nicht enttäuscht, als er endlich in den Hörsälen des Juridicums saß. „Am meisten gefreut habe ich mich auf die Seminararbeiten, bei denen man sich selbst mit einem Thema auseinander setzen muss“, sagt Lentner.

Als Schüler und Student spielte er Bass in einer Band in Wien. „Wir haben nie Covers gemacht. Ich habe die Musik und Texte selbst geschrieben, weil ich etwas Eigenes machen will, das vor mir keiner gemacht hat. Dem Motto bleibe ich auch in der Forschung treu“, so Lentner. Aus dem Kindertraum, Richter zu werden, entwickelte sich im Studium der Wunsch, als Diplomat zu arbeiten: „Weil mich das Internationale so interessiert.“ Doch schließlich war es die Forschung, die Lentner begeisterte.

Für seine Dissertation an der Uni Wien untersuchte er das Verhältnis vom Internationalen Strafgerichtshof zum UNO-Sicherheitsrat: „Es war spannend zu erforschen, was passiert, wenn das Recht der internationalen Organisationen mit dem Völkerstrafrecht kollidiert.“ Obwohl er heute als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Department für Rechtswissenschaften und Internationale Beziehungen der Donau-Uni Krems in einem anderen Bereich forscht, ist er doch weiter an Fragen interessiert, bei denen zwei Rechtsgebiete zusammentreffen.

Derzeit befasst er sich mit dem Investitionsschutzrecht und inwiefern dieses auch Immaterialgüterrechte schützt. Investitionsschutzabkommen werden zwischen Staaten abgeschlossen, um ausländische Investoren zu schützen. Auch bei den Diskussionen um Ceta und TTIP ging es teils um Investitionsschutzverträge. Aus solchen völkerrechtlichen Verträgen können Investoren finanzielle Entschädigungen beanspruchen, wenn ein Staat vertragliche Schutzstandards verletzt. „Es gibt einige Fälle, bei denen Eingriffe in Immaterialgüterrechte, wie zum Beispiel Patentrechte oder Markenrechte, zu Klagen führten“, betont Lentner. Bekannt wurde etwa der Fall, als der Konzern Philip Morris 2011 gegen Australien klagte, da das Tabakunternehmen seine Markenrechte beschränkt sah, weil Zigarettenpackungen optisch stärker auf die gesundheitlichen Gefahren verweisen sollten.

Solche Fragen sind eigentlich nicht vom Investitionsschutz erfasst, aber Philip Morris argumentierte, dass es einer Enteignung gleichkäme, wenn der Markenname nicht wie gewohnt abgedruckt wird. Ein internationales Schiedsgericht entschied gegen den Tabakkonzern. 2016 scheiterte Philip Morris nochmals vor einem internationalen Schiedsgericht bei einer Klage gegen Uruguay, von dem die Firma nach Verschärfung des Tabakgesetzes 25 Millionen Dollar Schadensausgleich forderte. „Für uns Forscher sind solche Fälle spannend, da strittige Fragen teils beantwortet werden und sich neue stellen. Nachdem wir nicht wie Naturwissenschaftler mit Experimenten arbeiten, sind unsere Studien auf Texte fokussiert: In meinem Fall auf Abkommen im Völkerrecht und auf Entscheidungen der internationalen Schiedsgerichte.“

Zum Gedenkdienst in die USA

Ins Ausland zog es Lentner früh: Nach dem Diplomstudium ging er statt zum Zivildienst ein Jahr als Gedenkdiener in die USA. „Ich habe in Richmond, Virginia, in einem Holocaust-Museum gearbeitet, das von einem Überlebenden gegründet wurde. Die Begegnung mit ihm hat mich geprägt, ebenso wie die Arbeit dort – etwa Recherchieren und Führungen geben.“ Danach forschte Lentner immer wieder an der Stanford Law School in Kalifornien, wo er auch ein Stipendium für das aktuelle Investitionsschutzprojekt hat. Voriges Jahr verbrachte er ein Semester an der University of Cambridge in England. „Das Umfeld in den renommierten Einrichtungen ist fantastisch. Nicht nur wegen der Infrastruktur, sondern weil man spürt, dass die Leute etwas bewegen wollen. Dort herrscht das Selbstbewusstsein, dass man neue Wege beschreiten kann.“

Zur Person

Gabriel M. Lentner wurde 1988 in Wien geboren und studierte Rechtswissenschaften an der Uni Wien. Neben Forschungsaufenthalten in Stanford, Kalifornien, und Cambridge, UK, arbeitet er seit 2013 an der Donau-Uni Krems, am Department für Rechtswissenschaften und Internationale Beziehungen. In seiner Freizeit geht Lentner gern in Krems an der Donau joggen oder entspannt mit einem guten Buch „irgendwo in der Sonne“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2017)

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