Kanada: Ölsand, Sprit und Gift

(c) AP (Joseph Kaszmarek)
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In Kanada wird zur Energiegewinnung großflächig Umwelt zerstört und kontaminiert. Diese Wunden müssen per Gesetz irgendwann wieder geheilt werden. Aber erst entstehen weitere

Im Mai 2008 landeten 1600 Enten auf einem See in der kanadischen Provinz Alberta, sie hatten sich von Böllern und schwimmenden Vogelscheuchen – „bitu-men“ – nicht abschrecken lassen, sie ertranken jämmerlich. Denn die Vogelscheuchen machen ihrem launigen Namen Ehre, sie schwimmen auf einem Wasserölgemisch, das beim Abbau von Bitumen aus Ölsanden anfällt. Das Öl verklebte die Gefieder (Science, 326, S.1052).

Die zweitgrößten Reserven dieses Erdöls lagern in Kanada, die Industrie hat schon lange ein Auge auf sie geworfen und baut seit 30 Jahren ab, zunächst in kleinem Maßstab, es ist teuer. Aber 2008 waren es schon 1,1 Millionen Tonnen Erdöl – Weltproduktion: 84,7 –, bald sollen es drei sein. Das bringt etwas Unabhängigkeit von unsicheren Lieferanten im Rest der Welt, aber der Preis ist hoch. Zum Abbau wird großflächig Umwelt zerstört: Die Ölsande liegen ein paar Dutzend Meter unter der Erde, sie werden im Tagebau gewonnenen, 530 Quadratkilometer Wälder und Feuchtgebiete wurden bisher dafür geopfert (das Bundesland Wien hat 415 km2).

Diese Wunden müssen per Gesetz irgendwann wieder geheilt werden. Aber erst entstehen weitere: Das Öl wird mit heißem Wasser und Natronlauge aus dem Sand gewaschen, am Ende bleibt eine Brühe, OSPW („Oil Sands Process Water“), in der auch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAHs) schwimmen, viele sind giftig und können unter UV-Licht noch 50.000-mal giftiger werden. Zwei bis vier Liter Wasser braucht man für einen Liter Öl, vom Input her kein Problem, Flüsse hat Kanada genug, das Wasser kommt aus dem Athabasca. Es darf nur dort nicht wieder hinein, seit 1993 ist das verboten. Also wird es gestaut, in künstlichen Seen, um die herum die Deiche immer höher wachsen, eine dieser Staumauern war die größte der Erde, bis in China der Drei-Schluchten-Damm errichtet wurde. Insgesamt sind 130 Quadratkilometer überflutet. Und in einem dieser Seen verendeten eben die Enten, vielen anderen Vögeln erging und ergeht es auch so.

Gefährliches Abwasser

Trotzdem scheint das das kleinere Problem zu sein. Das größere liegt darin, dass doch OSPW in die Umwelt gelangt. In den Anfangen der Ölsandindustrie baute man die Deiche etwas durchlässig, man hoffte, das Wasser werde beim Sickern gereinigt, das hat sich nicht erfüllt. Inzwischen baut man dichter, aber die Brühe dringt doch hinaus, eine Gruppe um David Schindler (University of Alberta) hat es gemessen: Die giftigen PAHs finden sich sowohl im Athabasca – unterhalb der künstlichen Seen – als auch im Schnee um die Seen herum. Und wenn der taut, werden die Konzentrationen im Wasser gefährlich für Fische, vielleicht auch für Menschen, es gibt erhöhte Krebsraten, Anwohner machen den Ölsandabbau verantwortlich: „Beim Management der Umwelteinflüsse des Ölsandabbaus braucht es größere Veränderungen“, schließen die Forscher (Pnas, 106, S.22346).

BITUMEN

Kohlenwasserstoffe sind ca. ab einer Kettenlänge von 17 C-Atomen fest. So entsteht Bitumen bei der Destillation von Erdöl (das die flüssigen Kohlenwasserstoffe enthält) als fester Rückstand. Es ist wasserunlöslich und wird so verwendet, um Bauteile vor Wasser zu schützen. Im Straßenbau hat es den (karzinogenen) Teer verdrängt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2010)

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