Brachten von Spaniern eingeschleppte Salmonellen den Azteken das Ende?

REUTERS/Henry Romero
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In den Zähnen von Opfern von Epidemien fanden sich Spuren der Bakterien, die Typhus verursachen.

„In den Ortschaften und Städten wurden große Gräben gegraben, und vom Morgen bis zum Sonnenuntergang taten die Priester nichts anderes, als die toten Körper dorthinzutragen und sie hineinzuwerfen.“ So berichtete ein Franziskanerpriester, was er 1576 im Hochland Mexikos sah. Dort lebten 1519, als Konquistador Hernán Cortés mit der Eroberung begann, geschätzte 25 Millionen Azteken, hundert Jahre später war es noch eine Million. Das lag nicht nur an den Waffen der Spanier, sondern vor allem an zwei Massensterben, eines begann 1545, das zweite 1576, dem ersten fielen acht Millionen zum Opfer, dem zweiten doppelt so viele.

Woran gingen sie zugrunde? Es gab Dürren, aber sie schwächten die Körper allenfalls. Der Tod hingegen kam rasch, binnen fünf Tagen, es begann mit hohem Fieber, am Ende floss Blut aus allen Körperöffnungen. Die Azteken nannten das Leiden „cocolizti“ (Pest), die Spanier nannten es „pujamiento de sangre“ (Wallung des Bluts), sie selbst litten auch, aber nicht stark, und von ihren Ärzten, die die Leichen oft mit bloßen Händen obduzierten, starb keiner.

Was war das für eine seltsame Krankheit? Die Eroberer der Neuen Welt haben viel mitgebracht, was Indigenen bzw. deren Immunsystemen nicht vertraut war, von Masern bis Grippe, aber diese kamen erst später. Nach den historischen Beschreibungen deutet bei den Azteken und Mixteken viel auf Enterisches Fieber: Typhus. Kann man das testen? Rasch tötende Infektionskrankheiten hinterlassen keine Spuren etwa in Verformungen der Knochen. Aber sie hinterlassen Spuren ihrer Erreger: Eines der Cocolizti-Massengräber wurde in der Stadt Teposcolul-Yucudaa angelegt, sie wurde nach der zweiten Epidemie andernorts neu gebaut, der Friedhof blieb unberührt.

Unbemerkte Fracht aus der Alten Welt

Bis ab 2004 Paläogenetiker um Johannes Krause (Jena) kamen und nach und nach 29 der insgesamt 800 Skelette ausgruben, ihnen entnahmen sie Zähne, und in diesen suchten sie. Aber sie suchten nicht gezielt nach einem Krankheitserreger x oder y, sondern gingen mit einer neuen Methode die Gene in aller Breite durch. Dabei stießen sie in zehn der Skelette auf Spuren von Salmonella enterica, diese Bakterien bringen Typhus, in einer zweiten, noch feineren Runde konnte der Untertyp auf Paratyphus C eingegrenzt werden (Nature Ecology & Evolution, 15. 1.). Ihn gab es in Europa spätestens seit dem Jahr 1200 – man weiß es aus einem Skelett aus Norwegen –, und ihn kann man, sofern man über ein daran gewöhntes Immunsystem verfügt, als „asymptotischer Träger“ auch lang in sich haben, ohne dass sich Symptome zeigen. Einer oder mehrere derart Infizierter könnten das Unheil unbemerkt mitgebracht haben: „Wir glauben, dass dieser Salmonellenstamm aus der Alten Welt eingeschleppt wurde“, schließen die Forscher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2018)

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