Kontrolliertes Zellwachstum auf Implantaten

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Wie gut der Körper auf ein Implantat reagiert, ist ungewiss. Der Schlüssel liegt im Zellwachstum. Ob sich das mit einer Nanobeschichtung steuern lässt, wird nun in Tirol erforscht.

Auf medizinischen Implantaten gedeihen Körperzellen nicht immer so, wie sie sollen. Am künstlichen Hüftgelenk ist ihr Wachstum etwa erwünscht, auf dem Dialysekatheter nicht. Wo und wie stark die menschlichen Zellen an der Materialoberfläche wachsen, hängt von der elektrischen Ladung ab. Bei positiver Ladung wachsen Körperzellen gut. Negative Ladung unterdrückt das Wachstum. Kontrollieren kann man es bisher nicht. Das soll sich mittels nanotechnologischer Anwendungen ändern.

Dazu arbeiten Ionenphysiker der Universität Innsbruck mit der Tiroler Firma PhysTech Coating Technology, die auf Dünnschichttechnologie spezialisiert ist, und dem Hersteller von Hörimplantaten MED-EL zusammen. Das Forschungsprojekt „Faenomenal“ startete im Jänner und wird als K-Regio-Projekt vom Land Tirol und der EU für drei Jahre finanziert.

Die nötigen physikalischen Grundlagen schuf das Team rund um den Ionenphysiker Paul Scheier bereits zuvor: Bei der Frage, welches Material für die Beschichtung am geeignetsten ist, hat sich Nanogold, also kleinste Goldpartikel, durchgesetzt. Für die Beschichtung entwickelte Scheiers Team eine Methode, um verschiedene Partikelgrößen erzeugen zu können. „Mit unserer Quelle können wir Heliumtröpfchen unterschiedlicher Größe herstellen. Diese werden in Vakuum durch Golddampf geschossen. Das Heliumtröpfchen „sammelt“ dabei Goldatome ein. Diese gefrieren wegen der extrem niedrigen Temperatur und verbinden sich zu Nanoteilchen“, erklärt der Physiker.

Partikel dürfen nicht wandern

Über die Größe der Nanoteilchen, also der Anzahl von Goldatomen, lässt sich nämlich die elektrische Ladung des Oberflächenmaterials beeinflussen. Besitzt ein Nanopartikel exakt acht Goldatome, verhält es sich neutral. „Hat es ein Atom weniger, holt es sich ein Elektron aus der Umgebung, also dem Titan-Implantat. Die Beschichtung bekommt so eine negative Ladung“, sagt Scheier. Will man eine positive Ladung, benötigt man eine andere Partikelgröße.

Im Forschungsprojekt geht es für die Ionenphysiker nun darum, herauszufinden, welche Größe für Zellwachstum oder dessen Unterdrückung ideal ist. Das wird im Labor des Management Center Innsbruck mithilfe von Zellkulturen getestet. Neben der „richtigen“ Größe spielt für den gewünschten Effekt auch Stabilität eine Rolle. Die Nanopartikel sollen auf der Materialoberfläche nicht herumwandern und zusammenwachsen. „Außerdem sollten sie so klein wie möglich sein, also unter hundert Goldatome pro Nanoteilchen. Das hat physikalische und finanzielle Gründe“, erklärt der Physiker.

Nanogold haftet am Material, indem man es im Vakuum mit bis zu 700 km/h auf dessen Oberfläche schießt. Die Forscher müssen auch hier äußerst präzise vorgehen. Positive und negative Ladungen dürfen nicht zu nah beieinander liegen. „Sonst hebt das den gewünschten Effekt auf“, so Scheier. Um sicherzugehen, dass die Nanopartikel an Ort und Stelle bleiben, ist angedacht, sie mit einer Metalloxid-Schicht zu fixieren. Obwohl Nanogold gut mit Körperzellen reagiert, soll so auch vermieden werden, dass sie sich lösen und woanders hingelangen. Zeigt sich nach den drei Jahren, dass in Zellkultur das Wachstum steuerbar ist, wäre der Grundstein für weitere Forschungen gelegt. (sobu)

IN ZAHLEN

8 Goldatome bewirken, dass sich das Nanopartikel neutral verhält. Es zeigt wenig Reaktion. Bei neun Atomen wird die Oberfläche positiv geladen; bei sieben Atomen negativ.


1 Mikrometer, also ein Tausendstel Millimeter, ist der durchschnittliche Durchmesser von Heliumtröpfchen. Damit sind sie in etwa so groß wie eine menschliche Zelle. Nach der Ionisation im Labor schrumpfen sie auf 100 Nanometer, das sind Millionstel Millimeter, vertausendfachen sich dabei aber zugleich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2018)

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