Das Förderband der Ozeane schwächelt

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Klima. Die Pumpe der großen Meeresströmungen, die Wärme rund um die Erde verteilen, ist ins Stocken geraten, darauf deuten zwei Studien hin. Allerdings sieht die eine die Natur dahinter, die andere den Menschen. Die Folgen sind unklar.

Eine der Sorgen, die mit der globalen Erwärmung einhergehen, wurde 2007 von Hollywood aufgegriffen und nach dortigen Gepflogenheiten überhöht: „The Day After Tomorrow“ spielte durch, was passiert, wenn das Förderband der Ozeane zusammenbricht, der „Global Ocean Conveyor Belt“. Dieser zieht sich um die ganze Erde herum, angetrieben wird er von einer Pumpe im Nordatlantik, sie heißt AMOC – Atlantic meridional overturning circulation –, und sie besteht aus zwei Teilen. Erst kommt vom Südwesten her, von Florida, mit dem Golfstrom warmes Oberflächenwasser, es wärmt Europa und kühlt ab. Dadurch wird es dichter und schwerer, es sinkt und zieht als kaltes Tiefenwasser nach Süden zur Antarktis.

Dort wendet es sich nach Osten, dann den Pazifik hinauf und wieder retour nach Westen durch den Indischen Ozean, als warmes Oberflächenwasser trifft es vor Florida ein, dort biegt es nach Europa ab. Aber das Ganze funktioniert nur, wenn das Wasser im Nordatlantik wirklich in die Tiefe sinkt. Und dafür muss es nicht nur kalt sein, sondern auch salzig, das bringt zusätzliche Dichte. Deshalb könnte das ganze Werkel ins Stocken kommen, wenn zu viel Süßwasser in den Nordatlantik gerät.

Der Global Ocean Conveyor Belt transportiert Wasser (18 Millionen Kubikmeter pro Sekunde) um die ganze Erde, und mit ihm Temperatur. Getrieben wird er von einer Pumpe im Nordatlantik, wo warmes Oberflächenwasser (orange) kühlt, absinkt und als kaltes Tiefenwasser (blau) loszieht.
Der Global Ocean Conveyor Belt transportiert Wasser (18 Millionen Kubikmeter pro Sekunde) um die ganze Erde, und mit ihm Temperatur. Getrieben wird er von einer Pumpe im Nordatlantik, wo warmes Oberflächenwasser (orange) kühlt, absinkt und als kaltes Tiefenwasser (blau) loszieht.Die Presse Grafik

„Global warming, regional cooling“?

Das vermutet man zumindest, und damit erklärt man, dass es nach Ende der letzten Eiszeit vor 12.800 Jahren noch einmal kalt wurde, im Jüngeren Dryas: Durch die Erderwärmung geriet so viel Schmelzwasser von Gletschern aus Nordamerika in den Atlantik, dass der Salzgehalt zu stark sank. Ob das wirklich so war, ist nicht recht klar, und die Folgen eines durch die Erwärmung stockenden Förderbandes sind es auch nicht: Das geläufige Szenario hieß „Global warming, regional cooling“: Europa bekäme durch die globale Erwärmung eine Abkühlung zu spüren, weil ein schwacher oder gar ausfallender Golfstrom weniger bis keine Wärme bringt. Und 2005 etwa sah es in einer Studie von Harry Bryden (Southampton) bedrohlich aus: Der Golfstrom habe sich in den letzten 50 Jahren um 30 Prozent ausgedünnt (Nature 438, S. 655). Das stützte sich allerdings auf dünne Daten, systematisch gemessen – mit Bojen, die alle 20 Minuten Salzgehalt und Wassertemperatur festhalten – wird erst seit 2004, Ergebnisse erwartete man in 20 bis 30 Jahren.

Aber nun kommen, ganz ohne die Bojen, in Nature (11. 4.) zwei neue Abschätzungen, sie stimmen darin überein, dass das Förderband 15 Prozent seiner Kraft eingebüßt hat. Allerdings sind die Methoden so verschieden wie die jeweils analysierten Zeiträume, das bringt Verwirrung, auch um die Ursache: Die eine Gruppe, um Stefan Rahmstorf (Potsdam), hat die letzten 50 Jahre etwa der Oberflächentemperaturen des Nordatlantik in den Blick genommen und sieht, dass die Abschwächung in dieser Periode geschehen ist, verursacht durch die vom Menschen mitgemachte Erwärmung.

Die andere Gruppe, um David Thornalley (Woods Hole), hat auf anderen Wegen die letzten 1600 Jahre rekonstruiert, aus Sedimenten am Meeresboden bzw. aus der Korngröße der Steine darin, sie gibt Auskunft über die Geschwindigkeit des Förderbandes. Diese war lange konstant, dann kam der Einbruch, um 1850 herum, da gab es keine anthropogene Erwärmung, da heizte die Natur: Die Kleine Eiszeit, die im Mittelalter begonnen hatte, war zu Ende, der Nordatlantik wurde mit Schmelzwasser überzogen.

Oder zusätzliche Wärme statt Kühle?

„Das wird vermutlich die frustrieren, die es vorziehen, von der Wissenschaft ein klares Signal zu bekommen“, zuckt Nature in einem Editorial ganz britisch die Schultern: „Aber Wissenschaft ist selten so gefällig“, man brauche einfach mehr und detailliertere Daten. Deshalb ist man auch mit den Prognosen vorsichtig geworden: Von „regional cooling“ ist keine Rede mehr, Rahmstorf vermutet eher eine – durch geänderte Winde – zusätzliche Erwärmung Europas im Sommer und eine – durch Verlagerung des Golfstroms – zusätzliche Erhöhung des Atlantik an der US-Ostküste, zudem werde der Sahel wohl noch trockener. Thornalley hält sich mit Spekulationen über die Folgen ganz zurück, und ein Begleitkommentar von Summer Praetorius (US Geological Survey) flüchtet ins Unverbindlichste: Ein „Kollaps“ der Pumpe könnte zu „beträchtlichen Änderungen des Klimas und der Niederschläge in der nördlichen Hemisphäre“ führen.

Daraus wird nicht einmal Hollywood etwas machen können, das im „Day After“ erst eine Flut und dann das Eis über die Ostküste USA kommen ließ.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2018)

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