Schlank durch Fett? Ja, durch beiges

Was hat Nikotin mit Gewichtszunahme zu tun?
Was hat Nikotin mit Gewichtszunahme zu tun?(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ein vor Kurzem entdeckter Zelltyp verbrennt Energie – wenn er durch Nikotin dazu angeregt wird.

„Rauchen macht schlank!“ Das stand auf einem Poster mit einem Skelett, das vor langen Jahren an den Wänden hing. Viele zuckten zusammen und drückten ihre letzten Zigaretten aus, mussten aber bald bemerken, dass sie Gewicht zulegten: Der süchtig machende Inhaltsstoff von Tabak, Nikotin, unterdrückt im Hirn Hunger, nun bekam er freie Bahn.

Aber das ist offenbar nur ein Teil der Geschichte: Nikotin hat nicht nur im Gehirn mit der Steuerung der Energieaufnahme zu tun, sondern im restlichen Körper auch damit, was mit dieser Energie geschieht, ob sie eingelagert wird oder verbrannt, in Fettzellen unterschiedlichen Typs: Lange dachte man, dass wir als Erwachsene nur weiße haben, White Adipose Tissues (WATs), sie sind Speicher, ihre Überfüllung macht uns dick. Als Babys hatten wir auch BATs, Brown Adipose Tissues, die waren voll mit Mitochondrien, den Zellkraftwerken, und die setzten in einem Kurzschluss des Stoffwechsels beim Verwerten von Fett viel Abwärme frei. Damit heizen sich Babys.

Alter Hoffnungsträger: Braunes Fett

Später wird das von Muskeln übernommen, die sich ganz unvermerkt bewegen, und die BATs kommen uns abhanden. Das war der Stand bis vor etwa 15 Jahren, dann zeigte sich, dass auch Erwachsene noch BATs haben, sie wurden zum großen Hoffnungsträger gegen die „Epidemie der Fettleibigkeit“ (Weltgesundheitsorganisation WHO), man fand verschiedene Wege, sie zu aktivieren bzw. WATs in BATs umzuwandeln: Kälte kann das, karge Kost auch, und Pharmakologen suchten in ihrem Feld.

Nach vielversprechenden Anfängen hat man nicht mehr so viel davon gehört, aber vor etwa fünf Jahren stieß man auf einen dritten Typ von Fett: Beiges, von der Farbe her ein Mittelding, von der Funktion her ein Schlankmacher. Aktiviert werden diese Zellen über einen Rezeptor, CHRNA2 (Cholinergic Receptor Nicotinic Alpha 2), und der wird durch zwei Substanzen aktiviert, Nikotin und den Neurotransmitter Acetylcholin, Letzterer wird von Immunzellen freigesetzt, sie antworten damit auf Kälte. Aber Nikotin wirkt eben auch, Jun Wu, University of Michigan, hat es an Mäusen bemerkt, später an Fettzellen des Menschen bestätigt (Nature Medicine 21. 5.).

Also rauchen? Nein, das macht ja wirklich so überschlank wie auf dem Poster. Wu geht es darum, vergleichbare, aber unschädliche Wirkstoffe zu finden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2018)

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