Ein Bankerl für jeden und andere Experimente

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Parkbank(c) imago/Westend61 (Christina Falkenberg)
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In einem Projekt in elf europäischen Städten luden Forscher die Bewohner ein, ihr Viertel mit zu verändern. Graz war als einzige österreichische Stadt dabei, die entwickelten Lösungen sind derzeit ausgestellt.

Im Grazer Stadtmuseum stehen momentan elf Minigolfbahnen. Sie laden den Besucher der Ausstellung „Shaping Human Cities“ ein, spielerisch die Ergebnisse eines Projekts in elf europäischen Städten zu entdecken. Wellen im Boden symbolisieren etwa einen Pool, der im Hafen von Brüssel errichtet wurde, weil es in der ganzen Stadt kein Freibad gibt. „Rollt der Ball darüber, sprudelt es“, erzählt Architektin und Städtebauerin Anke Strittmatter von der FH Joanneum.

Graz war als einzige deutschsprachige Stadt vertreten. Weiters wirkten Wissenschaftler aus London, Bilbao, Brüssel, Saint-Étienne, Mailand, Ljubljana, Belgrad und Cieszyn an der polnisch-tschechischen Grenze mit. Jede Stadt wählt sich den Fokus und das Gebiet selbst aus. Die Probleme seien sehr unterschiedlich gewesen, schildert Strittmatter. Die gemeinsame Idee seit Projektstart 2014 war, die Bewohner mit einzubinden und erste Experimente im öffentlichen Raum zu starten. „Es gab viele ähnliche Themen, aber ganz unterschiedliche Zugänge.“

Die Vermessung der Passanten

„Wir haben uns das Jakominiviertel genau angeschaut“, berichtet Strittmatter. Vor allem die ins Zentrum führende Jakominigasse mit Straßenbahnschienen in beide Richtungen lässt wenig Raum für Fußgänger und lädt kaum zum Verweilen ein. Immer mehr Geschäfte stehen leer. Gemeinsam mit Studierenden befragte und beobachtete sie Passanten. „Den meisten war die Straße zu dreckig, sie wünschten sich mehr Grün.“ Und: „Die einen wollten mehr, die anderen weniger Parkplätze.“

Die Forscher zählten die Passanten, deren Hunde, aber auch Fahrräder und Autos. Selbst der Sonnenstand wurde festgehalten: Wo war es schattig, wo sonnig und vielleicht zu heiß? Außerdem beobachteten sie, wo die Menschen stoppten, wo sie verweilten, wann sie die Straße querten. „Uns überraschte, dass der enge Gehweg die Menschen immerhin nicht daran hindert, en passant mit anderen Anwohnern zu kommunizieren“, schildert Schrittmatter.

Eine Idee war, mit dem „Sound of Jakomini“ ein Radioprogramm von und für Bewohner des Bezirks zu schaffen. Dazu nahmen sie Alltagsgeräusche auf und kreierten einen Sound, der das Viertel repräsentieren sollte und auch über Radio Helsinki gesendet wurde. Eine weitere Aktion war das „Drei-Minuten-Service“: Um Passanten den etwa drei Minuten dauernden Gang durch die Straße angenehmer zu gestalten, schoben die Studierenden sie auf einem Thron mit Rädern, während ein Gitarrist spielte, jemand eine Geschichte vorlas oder man eine Kopfmassage genießen konnte. Als Selbstläufer entpuppte sich schließlich die dritte Idee der angehenden Ausstellungsdesigner. Sie entwickelten Möbel – kleine Tische und Sessel –, die in die kleinen Häusernischen passen und zum Verweilen einladen. Das sei sehr gut angenommen worden, so Strittmatter. Teilweise zu gut: Viele der kleinen Sitzgelegenheiten verschwanden.

Gratis, aber für alle

Die Aktion war dennoch ein Erfolg: Eine Gruppe an Schreinern und Architekten fand sich, die unter dem Titel „280.000 Bankerl für Graz“ die kleinen Sitzmöbel so lange ausgeben will, bis jeder Grazer eines hat. Sie sind gratis, einzige Auflage: Sie müssen im öffentlichen Raum verwendet werden und sollen dazu einladen, sich zu Gesprächen zusammenzusetzen.

Die Graz repräsentierende Minigolfbahn im Graz Museum ist – so wie die Jakoministraße – übrigens besonders eng und hat zwei Straßenbahnen als Hürden. Schlägt man dagegen, ertönt das klassische Tramwayklingeln. Durch den gewählten spielerischen Zugang erreiche das Museum momentan weit mehr Teenager als sonst, so Strittmatter.

Die Ausstellung „Shaping Human Cities“ ist noch bis 24. Juni im Graz Museum zu sehen: www.grazmuseum.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2018)

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