Ötzi schlug sich den Bauch mit Fett voll

Mahlzeit! So soll er ausgesehen haben, der Mann aus dem Eis. Die Rekonstruktion war Mittelpunkt der Schau zum 20-Jahr-Jubiläum des Funds.
Mahlzeit! So soll er ausgesehen haben, der Mann aus dem Eis. Die Rekonstruktion war Mittelpunkt der Schau zum 20-Jahr-Jubiläum des Funds. (c) Museum Bozen
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Der Mageninhalt zeigt, dass die Ernährung des Mannes aus dem Eis auf die Bedürfnisse des Herumziehens in der kräftezehrenden Umwelt zugeschnitten war.

Weiß man vom Ötzi immer noch nicht alles? Nein, seit der 1,60 Meter große, 60 Kilo schwere und um die 45 Jahre alte Mann 1991 in den Ötztaler Alpen in 3208 Metern Höhe nach 5300 Jahren aus dem Eis kam, ist er für Überraschungen gut. Zunächst hatten Röntgenologen der Uni Innsbruck – in der dortigen Gerichtsmedizin hatte man die „Leichensache Hauslabjoch“ als „Nr. 619/91“ neuerlich in Eis gelegt – schlicht übersehen, dass in der linken Schulter eine Pfeilspitze steckte.
Das bemerkte erst Eduard Egarter-Vigel, Primar der Pathologie in Bozen, in die der Mann aus dem Eis 2006 gebracht worden war, nachdem feststand, dass der Fundort auf italienischem Boden war. Dort rekonstruierten die Ärzte die letzten Minuten des zerschundenen Manns: Er hatte nicht nur den Pfeil im Leib, er war auch in einen Nahkampf verwickelt, zerschnitt sich beim Versuch, ein Messer abzuwehren, eine Hand, in der rechten Gesichtshälfte war ein Bluterguss, im Gehirn fanden sich Blutgerinnsel. Offenbar war Ötzi mit dem Kopf auf einen Stein geprallt, ob durch einen Schlag oder einen Sturz, konnte nicht geklärt werden.

Kaputte Zähne, verkalkte Gefäße

Sonst wurde viel analysiert: seine Herkunft, seine Gesundheit, seine Zähne. Erstere blieb im Dunkeln, weil die Gene am ehesten nach Sardinien deuteten, Isotopen in den Knochen aber bezeugten, dass Ötzi in Tirol aufgewachsen war. Ein klareres Bild zeigten die Zähne: Manche waren zerschlagen, andere zerfressen, weil Ötzi sich auch von Getreide ernährt hatte und dessen Stärke Bakterien gedeihen ließ, die Karies brachten. Auch generell stand es mit seiner Gesundheit nicht zum Besten: Die Blutgefäße waren stark verkalkt, zudem hatte er drei Risikogene für Herz-Kreislauf-Leiden. Zudem plagte ihn Borreliose, eine Infektionskrankheit, die von Zecken übertragen wird und die überall im Körper Übles anrichtet.


Dass Ötzi doch keinen Infarkt erlitt, rechnete man seiner Ernährung zu: Zunächst hielt man ihn für einen Vegetarier, darauf deuteten Stickstoffisotopen in den Haaren. Dann zeigten Analysen seines Darminhalts eine breitere Speisekarte: Stunden vor seinem Tod hatte er zwar ein paar Körner verzehrt – Getreide: Einkorn –, aber dazu gab es Fleisch, Hirsch und Steinbock, offenbar hatte Ötzi es über Feuer zubereitet, im Darm war auch Holzkohle. Und noch etwas: Moose, sechs verschiedene Arten. Sie waren tief im Darm, können nicht bei der eher brachialen Bergung des Fundes, bei der viel zerstört wurde, in den Körper geraten sein. Moose? Die kommen in keiner Kultur auf den Tisch.
Aber in vielen liegt sie in der Hausapotheke, sie werden ihrer großen Oberfläche bzw. Saugfähigkeit wegen als Windeln genutzt oder als Wundverband: Möglicherweise hat Ötzi seine verletzte Hand verbunden und später die blutigen Finger abgeleckt.

Ziegenmilch, Einkorn, Steinbockspeck

All das war aber nicht das allerletzte Mahl des Mannes aus dem Eis, das steckte noch im Magen, und den konnte man in der Mumie lange nicht finden, weil die Last des Eises ihn verschoben hat, nach oben. Aber nun ist auch sein Inhalt analysiert, und wieder kommt eine Überraschung: „Ungefähr 46 Prozent des Darminhalts sind Rückstände von Fett“, bilanzieren Frank Maixner und Albert Zink vom Institut für Mumienforschung in Bozen. Dieses Fett stammte teilweise aus Ziegenmilch – wohl als Käse verzehrt, Ötzi hatte die Genvariante noch nicht, die Erwachsene Milch vertragen lässt –, teilweise wieder von Steinbock und Rotwild. Dieses Fleisch war nicht über Feuer zubereitet, es war beim Verzehr entweder roh oder getrocknet: „Das letzte Mahl des Mannes aus dem Eis war eine wohlbalancierte Mischung aus Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten, die perfekt auf die Bedürfnisse des Herumziehens in großer Höhe zugeschnitten war“ (Current Biology 12. 7.).


Ein Rätsel war wieder dabei, kein Moos, ein Farn, Adlerfarn. Das ist giftig, wird aber in manchen Kulturen verzehrt. Auch in der Ötzis? Vielleicht wurde es als Medizin genutzt – Ötzi hatte im Magen das Bakterium Helicobacter, es kann Geschwüre und Krebs bringen –, vielleicht hatten die Blätter schlicht als Verpackung für die Speisen gedient.

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