Wie wertvoll sind Staub, Schlamm und Schlacke?

Glühende heiße Schlacke aus der Eisenproduktion.
Glühende heiße Schlacke aus der Eisenproduktion.(c) imago/Hans Blossey (imago stock&people)
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Ein Forschungsprojekt der Montan-Uni Leoben soll in den nächsten vier Jahren Standards für die Bewertung und das Recycling industrieller Reststoffe schaffen – damit Metalle in Milliardenwert nutzbar machen.

Gold, Silber und auch andere Metalle, wie Kupfer und Zink, sind von unbestrittenem Wert. Schließlich unterliegen Erze als primäre Rohstoffe einem einheitlichen Klassifizierungssystem und die Qualität ihrer Lagerstätten ist nach international anerkannten Kriterienkatalogen dokumentierbar. Ganz anders verhält es sich mit einer bisher wenig beachteten Rohstoffquelle, die jedoch enorme Verwertungsmöglichkeiten in sich birgt: den Sekundärrohstoffen.

Dazu gehören industrielle Reststoffe, wie Stäube, Schlämme und Schlacken, die häufig eine Vielzahl an Metallverbindungen enthalten, bisher allerdings noch wenig genutzt werden. „Hier gibt es eine große Anzahl an Halden, jedoch keine sinnvoll einsetzbaren Bewertungssysteme“, sagt Jürgen Antrekowitsch, Leiter des Bereichs Metallrecycling aus Nebenprodukten der Montanuniversität Leoben. Deshalb sei es sehr schwierig, für die Verwertung dieser eigentlich bedeutenden Ressourcen Investoren oder große Industriepartner zu gewinnen.

Versteckte Metalle

Ein vierjähriges Forschungsvorhaben mit Namen „Commby“ der Montanuniversität soll Abhilfe schaffen. Das Projekt mit einem Gesamtvolumen von 2,76 Millionen Euro wurde Mitte Juni von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) als eines von neun sogenannten Comet-Projekten, in denen Wissenschaft und Wirtschaft kooperieren, ausgewählt.

„Commby“ verbindet mehrere Disziplinen: Neben dem Lehrstuhl für Nichteisenmetallurgie, dem Antrekowitsch entstammt, sind auch Experten für Aufbereitung, Geologie und Lagerstättenkunde eingebunden, außerdem Partner aus der Industrie, darunter sechs österreichische Betriebe und ein deutsch-spanischer Recyclingkonzern. Im Konsortium wollen sie ein Bewertungssystem entwickeln, das international anerkannt und zertifizierbar ist. Es soll künftig zu einem Meilenstein für die Nutzung industrieller Rückstände werden.

„Das Interessante an diesen Rückständen ist, dass nicht wie bei Schrotten – zum Beispiel Automobilschrott, Handy- und Computerplatinen oder Dosenschrott – die Wertmaterialien als sichtbare Metalle vorliegen, sondern in Form von Verbindungen“, erklärt Antrekowitsch. „Insgesamt sieht man den Nebenprodukten nicht an, dass Metalle enthalten sind, da sie in ihrer Erscheinungsform eher Erde, Staub oder Gestein ähnlich sind. Dennoch bestehen diese Nebenprodukte bis zu 60 Prozent aus Wertmetallen.“ So enthält Staub, der in der Stahlproduktion anfällt, beispielsweise Zink, Blei und Eisen. Selbst Stäube mit hohen Konzentrationen werden weltweit zu weniger als 50Prozent recycelt, Stäube mit niedrigeren Konzentrationen beinahe gar nicht.

Ein weiteres Beispiel ist die Zinkindustrie, in deren Rückständen Metalle wie Zink, Blei, Silber, Kupfer und Gold enthalten sind. „Dieser Rückstand wird mit wenigen Ausnahmen weltweit deponiert, und man schätzt, dass damit pro Jahr Metalle im Wert von etwa zwei bis drei Milliarden Euro verloren gehen“, so Antrekowitsch. Ähnliche Beispiele könne man für die Kupfer- und Bleiindustrie anführen. In Summe werden jährlich zwischen 50 und 100Millionen Tonnen Zink-, Kupfer-, Blei- und silberhaltige Nebenprodukte als Rückstände der Zink-, Kupfer- und Bleiindustrie deponiert.

IN ZAHLEN

30 Millionen Tonnen Staub fallen jährlich weltweit als Nebenprodukte der Stahlherstellung an (20 Kilogramm Staub pro Tonne Stahl). Ein Drittel davon enthält Wertmetalle in hohen Konzentrationen.

5–6 Millionen Tonnen an metallhaltigen Rückständen wie Zink, Blei, Kupfer, Silber, Gold entstehen weltweit etwa pro Jahr in der Zinkindustrie. Das sind 600 bis 800 Kilogramm pro Tonne Zink.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2018)

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